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Kommentar: Warum die Bauernproteste erst der Anfang sein könnten

Kommentar

Warum die Bauernproteste erst der Anfang sein könnten

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    Die Politik der Bundesregierung geht den Landwirten gegen den Strich. Sie protestieren.
    Die Politik der Bundesregierung geht den Landwirten gegen den Strich. Sie protestieren. Foto: Jens Büttner, dpa (Symbolbild)

    Neulich irgendwo von einem Ampel-Politiker im Radio gehört, man wolle als Koalition künftig "kommunikationsintensive Situationen" vermeiden. Weniger untereinander zu streiten, ist bereits ein hehres Ziel. Ob das gelingt? Mal abwarten. Es gibt ja auch noch den Rest des Landes. Landwirte und Spediteure tun der Bundesregierung diesen Gefallen mit ihren bundesweiten Protestaktionen jedenfalls nicht. Ganz im Gegenteil. Und das trotz der Zugeständnisse, die diese am Donnerstag bereits machte. Aber die reichen den Bäuerinnen und Bauern nicht. Auch die Spediteure machen mobil ("Schluss mit der CO2-Doppelbelastung bei Maut + Diesel"). Und ab Mittwoch streiken mal wieder die Lokführer. 

    Arbeitskampf und Proteste sind natürlich nicht dasselbe, aber sie haben ein Ziel: Die jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnisse der Berufsgruppe zu verbessern beziehungsweise zu erhalten. Diese Demonstrationen könnten in Zeiten knapper Kassen daher erst der Anfang sein, weil die Verteilungskämpfe härter werden. Es drohen der Bundesregierung künftig viel mehr kommunikationsintensive Situationen. Denn das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil diese (und jede weitere) Bundesregierung gezwungen, zu priorisieren. Es sei denn, die Schuldenbremse würde geschleift. Wer das nicht will, wer also sparen und reformieren möchte, muss Politik machen. 

    Bauernprotest - Bauern protestieren mit Ihren Traktoren - Traktor - Kundgebung des Bauernverbandes mit Schlepperkorso in Günzburg

Alexander Kaya
Redaktion
Neu-Ulmer Zeitung
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    26 Bilder
    Dem Aufruf des Bayerischen Bauernverbands zur Demo in Günzburg sind unzählige Landwirte gefolgt. Eindrücke von der Kundgebung und der Abfahrt des Korsos.

    Das aber wird schwieriger wenn es wirtschaftlich so mau bleibt, wenn die wieder gestiegene Inflation nicht eingehegt werden kann oder wenn künftig mehr Geld aus dem Bundeshaushalt in die Landesverteidigung gesteckt werden muss, weil das Sondervermögen aufgebraucht ist. Sicher, vielleicht springt die globale Konjunktur wieder an, die deutschen Exporte steigen immerhin – aber die Risiken der Weltwirtschaft (Krieg in Israel) auch. Es gibt jedenfalls absehbar weniger zu verteilen. 

    Zugleich fallen einem noch ein paar andere Gesellschaftsteile ein, die Lust auf Krawall kriegen könnten: Die arbeitenden Eltern zum Beispiel, die darunter leiden, dass es in diesem Land viel zu wenig Kitas gibt, zu wenige und zu schlecht bezahlte Betreuerinnen und Betreuer. Oder die Pflegekräfte, die mühsam aus dem Ausland angeworben werden müssen. Auch sie könnten – zu Recht – für sich in Anspruch nehmen, mehr zu verdienen. Die Gastwirte bleiben unzufrieden. Diese Liste könnte man fortsetzen. 

    Gerecht sparen und das Land reformieren? Das geht nur gemeinsam

    Was folgt daraus? Der Wirtschaftswissenschaftler Thomas Piketty hat mal geschrieben, dass der Kampf um Gleichheit zwar gewonnen werden könne. Er sei aber einer mit ungewissem Ausgang, "ein anfälliger sozialer und politischer Prozess, der nie abgeschlossen und gesichert ist". Wenn weniger Geld da ist, wenn in diesem Land zugleich aber etwas vorangehen soll, dann werden alle ihren Beitrag leisten müssen. 

    Die Bundesregierung müsste deshalb vorleben, wie man Partikularinteressen zurücknimmt. Ihr Amtseid gilt schließlich dem Wohle des Volkes und nicht der jeweiligen Partei. Was nicht geht: Einen hektischen Sparbeschluss fassen, danach mit den Fingern aufeinander zeigen, dann einknicken. So kommt man nicht aus der kommunikationsintensiven Großlage heraus. Und dann sollte der Kanzler ein Instrument wiederbeleben, das auf Konsens angelegt ist: die konzertierte Aktion. Dieses Land braucht dringend ein parteiübergreifendes Konzept, wohin es wirtschaftlich gehen soll. Wer ein glaubhaftes Ziel sieht, ist in der Regel auch bereit, vorübergehend dafür Einbußen hinzunehmen. 

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