Wie schön das sein wird, wenn mal wieder Zeitung gemacht und gelesen werden kann, wieder ein Nachrichtentag vergehen wird: ohne Corona! Aber die Verhältnisse, sie sind halt so: Das wird noch ein bisschen dauern. Bis dahin wird der Verdruss weiter wachsen. Und zwar vierfach.
Zum einen der, den diese Krise direkt bis in den Alltag jedes und jeder Einzelnen auslöst. Zum Zweiten der über die damit ringende Politik: Den einen erscheint sie zu weit ins Leben hineinregierend; den anderen als zu lasch bei der Durchsetzung des Notwendigen. Zum Dritten der Verdruss übereinander: Die einen sind genervt von Vorhaltungen, wie sie sich gefälligst zu verhalten hätten; die anderen wiederum aufgebracht, weil jene sich nicht wie geboten verhalten wollen. Und viertens noch der über die Medien: Weil sie entweder den Maßnahmen-Kritikern und damit der Unvernunft zu viel Platz einräumten, eine Bühne böten – oder weil sie eben jene zu wenig zu Wort kommen ließen und damit die Meinungsvielfalt auf Regierungslinie beschränkten.
Viel Verdruss in vielen Schattierungen also – auch abseits des Schwarz-Weiß-Denkens, das alle Zweifelnden zu Radikalen macht einerseits, jede Maßnahme zum Zeichen einer Diktatur andererseits. Wohin also mit all dem Verdruss, der uns noch eine Weile begleiten wird, da wir des Themas und der Situation doch alle längst überdrüssig sind?
Demokratischer Streit kennt Gegner, aber keine Feinde
Eine positive Antwort lässt sich darauf abseits aller Sonntagsreden kaum geben. Wir – und das meint hier private Beziehungen, Gesellschaft, aber auch Demokratie – werden noch einiges aushalten müssen, bis Tage ohne Corona kommen. Das Auf und Ab von Wellen und Gefahren, Maßnahmenanpassungen, Virusmutationen … – Stimmungsschwankungen. Aber es gibt die negative Antwort: Wohin nämlich darf der Verdruss nicht führen? Das lässt sich an den Medien zeigen, die abseits stimmungsverstärkender Internet-Kanäle gerade als gemeinsamer Ort der Öffentlichkeit fungieren sollten. Und das ist ein Problem, siehe oben. Zumal in Zeiten, in denen der auch wirtschaftlich wesentliche Wettbewerb um Aufmerksamkeit die Schlagzeilen tendenziell griffiger werden lässt – die zudem Zeiten sind, in denen Journalistinnen und Journalisten stets vorläufige politische Beschlüsse beurteilen, die auf stets noch für Korrekturen offenem Experten-Wissen basieren.
Denn die Verhältnisse, sie sind halt so. Aber auch darin leben wir eben in keiner Expertokratie, sondern in einer von Experten beratenen, aber politisch regierten Gesellschaft, begleitet von einer kritischen Öffentlichkeit. Und wie Helmut Schmidt sagte: „Eine Demokratie, in der nicht gestritten wird, ist keine.“ Das weist dem Umgang mit dem Verdruss den Weg.
Denn Streit kennt Gegner, aber keine Feinde. Wer dem Diskurs feindlich gegenübersteht und eine mögliche Einsicht durch die Argumente anderer gar nicht in Betracht zieht, mit dem bringt eine Auseinandersetzung nichts. Umso wichtiger ist es darum, Verdruss zur Sprache zu bringen – aber auch zu markieren, wo der sich in blanke Verblendung versteigt. Denn ja, es gibt in dieser Gesellschaft eine kleine Minderheit, die gegen die Gemeinschaft agitiert, von einer Spaltung profitiert – und eines ihrer Mittel ist, Verdruss zu schüren. Wenn die übergroße Mehrheit aber an jenen schönen Tagen ohne Corona noch miteinander reden können will, braucht es eine auch mediale Öffentlichkeit, die bei allen Stimmungsschwankungen kühlen Kopf bewahrt. Und mündige Mediennutzer, die nicht nur als relevant ansehen, was ihrer Meinung entspricht. Wenn das auch schon nach Sonntagsrede klingt, dann sind wir verloren.