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Kommentar: Warum Angela Merkel die SPD nicht fürchten muss

Kommentar

Warum Angela Merkel die SPD nicht fürchten muss

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    Für die Partei von SPD-Chef Sigmar Gabriel (links neben Merkel) lief es schon einmal besser.
    Für die Partei von SPD-Chef Sigmar Gabriel (links neben Merkel) lief es schon einmal besser. Foto: Ralf Lienert

    Die Bilanz, die er zog, war schonungslos – und sie wurde mit donnerndem Beifall belohnt. „Wir müssen raus ins Leben“, rief Sigmar Gabriel. „Wo es laut ist, wo es brodelt, dahin, wo es manchmal riecht, gelegentlich auch stinkt.“ Nach dem 23-Prozent-Debakel bei der Bundestagswahl 2009 nahm der Kraftprotz aus Goslar seine Partei in die Pflicht. „Wir müssen dahin, wo es anstrengend ist“, verlangte Gabriel von seinen Genossen, „weil nur dort das Leben ist“. Dann wählten sie ihn mit 94 Prozent der Stimmen zum neuen Vorsitzenden.

    Die Kraft der Autosuggestion hat auch in der Politik schon Wunder gewirkt, bei der SPD jedoch dauern solche Wunder immer etwas länger. Im Deutschlandtrend der ARD sind die Sozialdemokraten jetzt auf 21 Prozent abgestürzt, den schlechtesten je gemessenen Wert.

    Eineinhalb Jahre vor der nächsten Bundestagswahl ist das ein alarmierender Befund für eine so traditionsreiche und stolze Partei. Obwohl sie der Koalition mit der Rente mit 63, dem Mindestlohn oder der Mietpreisbremse ihren Stempel aufgedrückt hat, zahlt sich das nicht aus für sie. Im Gegenteil: Die Menschen wenden sich zu hunderttausenden ab. Offenbar ist die SPD noch immer nicht im Leben angekommen. Dort, wo es riecht und stinkt.

    SPD: In jeder anderen Partei wäre Sigmar Gabriel gefeiert worden

    An Gabriel liegt das nur zum geringsten Teil. Mit Geschick und Überzeugungskraft hat er die SPD gegen große Widerstände noch einmal in eine Koalition mit der Union geführt und ihr dort mehr Einfluss gesichert, als ihr nach ihrem mageren Abschneiden zugestanden hätte.

    In jeder anderen Partei wäre er dafür gefeiert worden, seine eigene dagegen hat ihn bei seiner Wiederwahl im Dezember mit lausigen 74 Prozent abgewatscht, als sei Gabriel persönlich für die schlechten Umfragen verantwortlich und nicht die Sozialdemokratie insgesamt, die sich mit destruktiver Lust immer wieder selbst ein Bein stellt und auch im Moment nicht weiß, ob sie Angela Merkel in der Flüchtlingspolitik links oder rechts überholen soll.

    Diese innere Zerrissenheit ist der Kern der sozialdemokratischen Krise, flankiert von einer notorischen Illoyalität und einer verbohrten Oberlehrerhaftigkeit, mit der SPD-Linke wie Parteivize Ralf Stegner durch die Talkshows ziehen. Das kostet die SPD viele Sympathien – und Vertrauen.

    Angela Merkel muss keinen Sozialdemokraten fürchten

    Obwohl sie in neun Ländern die Ministerpräsidenten stellt, ist weit und breit niemand in Sicht, der (oder die) das Kanzleramt für sie zurückerobern könnte. Hannelore Kraft ist schon mit der Landespolitik in Nordrhein-Westfalen überfordert, Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat schon einmal abgewunken, an Arbeitsministerin Andrea Nahles klebt noch immer das Etikett der renitenten Jungsozialistin, obwohl ihre Politik so ziemlich das Gegenteil von revolutionär ist – und Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz hat ein ähnliches Problem wie Gabriel: Er ist zu pragmatisch für diese Partei. Oder muss man schon sagen: zu konservativ?

    Als Helmut Kohl noch Kanzler war, stand ihm eine Riege sozialdemokratischer Ministerpräsidenten gegenüber, von denen über Gerhard Schröder, Oskar Lafontaine und Björn Engholm jeder ein ernst zu nehmender Rivale gewesen wäre. Angela Merkel dagegen muss im Moment niemanden fürchten, schon gar keinen Sozialdemokraten.

    SPD muss Vertrauen schaffen

    Umso wichtiger wäre es, dass die SPD sich jetzt selbst diszipliniert, dass sie ihrem Vorsitzenden den Rücken stärkt und nicht ständig neue Zweifel an seiner Eignung sät. Sigmar Gabriel verkörpert nicht nur eine Politik der sozialdemokratischen Vernunft. Er ist auch der einzige Spitzengenosse, der den Verführungen von links widersteht. Eine rot-rot-grüne Koalition ist mit ihm nicht zu machen.

    Auch so schafft man Vertrauen.

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