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Kommentar: Wahlkampf: Wann nehmen Politiker endlich auch die Jungen ernst?

Kommentar

Wahlkampf: Wann nehmen Politiker endlich auch die Jungen ernst?

Michael Stifter
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    Am Sonntag haben die Deutschen die Wahl. Die Stimmberechtigten unter 30 Jahren sind allerdings in der klaren Minderheit. Unter 18-Jährigen sind nicht stimmberechtigt.
    Am Sonntag haben die Deutschen die Wahl. Die Stimmberechtigten unter 30 Jahren sind allerdings in der klaren Minderheit. Unter 18-Jährigen sind nicht stimmberechtigt. Foto: Stefan Puchner, dpa

    Alle vier Jahre im Wahlkampf entdecken die Kandidatinnen und Kandidaten ihre Begeisterung für junge Menschen. „Wir müssen auch an die künftigen Generationen denken“, heißt es dann. Oder: „Das sind wir unseren Kindern schuldig.“ Klingt gut, sind aber meist nur hohle Worte. Denn die Parteien wollen nicht irgendwann gewählt werden, sondern heute. Also machen sie Politik für die Wählerinnen und Wähler von heute – und manchmal auch für die von gestern. Das ist fatal. Denn die Jungen müssen noch Jahrzehnte mit dem leben, was andere entscheiden. Und sie drohen, den Glauben an die Demokratie zu verlieren.

    Erstmals ist die Mehrheit der Wahlberechtigten älter als 55 Jahre

    Rein mathematisch ist die Sache klar: Die Älteren werden auch diese Wahl entscheiden. Unter-30-Jährige machen nicht einmal 15 Prozent der Wahlberechtigten aus. Also konzentrieren sich die Kampagnen auf andere Zielgruppen. Erstmals bei einer Bundestagswahl ist die Mehrheit der Stimmberechtigten älter als 55 Jahre. Da entsteht ein Ungleichgewicht. Am deutlichsten zeigt sich das im Kampf gegen den Klimawandel.

    Je jünger die Menschen sind, desto wichtiger ist ihnen dieses Thema. Sie fragen sich: Wie wird unsere Welt in 20 oder 30 Jahren aussehen? Was können wir jetzt noch tun? Doch Kanzlerkandidaten wie Armin Laschet, 60, oder Olaf Scholz, 63, denken mehr an heute als an morgen. Sie wollen den Wählern bloß nicht zu viel abverlangen. Lieber die Jobs von heute um jeden Preis retten als Arbeitsplätze von morgen schaffen. Dementsprechend ambitionslos sind ihre Pläne beim Klimaschutz. Nach ihnen die Sintflut.

    Angela Merkel hat es vorgemacht: Politik für heute statt für morgen

    Angela Merkel hat ja vorgemacht, dass das funktionieren kann. Politik im Hier und Jetzt. In akuten Krisen hat sich diese Methode bewährt. Eine Idee, was aus diesem Land werden soll, ist dabei zwar nie sichtbar geworden. Aber das scheint den Deutschen nicht so wichtig gewesen zu sein – schließlich hat sich Merkel 16 Jahre lang an der Macht gehalten. So ist es kein Wunder, dass Scholz und Laschet nun darum wetteifern, wer merkelhafter ist.

    Bei jungen Menschen können sie damit nicht punkten. Die tendieren eher zu den Grünen. Das liegt nicht nur daran, dass Annalena Baerbock, 40, entschlossener gegen den Klimawandel vorgehen will. Sie hat versucht, Themen zu besetzen, die junge Menschen bewegen.

    Die fragen sich, warum sie erst mit 18 Jahren eine eigene Stimme bekommen. Wie das mit der Rente auf Dauer hinhauen soll. Ob sie es sich leisten können, eine Familie zu gründen, wenn schon eine kleine Wohnung kaum finanzierbar ist und sie von einem befristeten Arbeitsverhältnis ins nächste wechseln. Was die Politik dafür tut, dass eigene Kinder kein Karrierebremser mehr sind. Warum es immer noch nicht genug Kita-Plätze gibt. Und wie es sein kann, dass junge Familien in der Pandemie derart nachrangig behandelt wurden.

    Politiker glauben, besser zu wissen, was gut für junge Menschen ist

    Die einstigen Volksparteien fokussieren sich aus taktischen Motiven auf eine ältere Wählerschaft. Das ist bitter genug. Noch schlimmer ist aber, dass sie den Jungen die Fähigkeit absprechen, zu wissen, was gut für sie ist. Die onkelhafte „Wenn ihr mal älter seid, werdet ihr schon sehen“-Attitüde ist das eigentliche Problem. „Jung & Naiv“ heißt eine erfolgreiche Interview-Reihe, die sich an junge Menschen richtet. Der Titel ist auch eine ironische Anspielung auf den etwas herablassenden Blick zu vieler Politiker auf Bewegungen wie Fridays for Future. Doch dahinter steckt ein ernstes Problem: Wer sich nicht gehört fühlt, sieht irgendwann keinen Sinn mehr in der Demokratie.

    Populisten schüren und nutzen diesen Frust. Unter den jungen Wählern liegt die AfD bereits jetzt auf dem zweiten Platz. Parteien, die eine Zukunft haben wollen, sollten auch deshalb endlich damit anfangen, die Menschen ernst zu nehmen, um deren Zukunft es geht.

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