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Kommentar: Wagenknechts Angebot an eine verlorene Zeit ist für viele verlockend

Kommentar

Wagenknechts Angebot an eine verlorene Zeit ist für viele verlockend

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    Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht freuen sich gemeinsam über die neue Partei.  Inhaltlich knüpft sie an die Ära der Überschaubarkeit.
    Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht freuen sich gemeinsam über die neue Partei. Inhaltlich knüpft sie an die Ära der Überschaubarkeit. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Sahra Wagenknecht hat am Wochenende in Berlin mit beeindruckender Disziplin ihre neue Partei aufgesetzt. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) beging nicht den Kardinalfehler linker Parteien, sich in den eigenen Reihen um die reine Lehre härter zu bekämpfen als den politischen Gegner. Bisher geht das Konzept auf, mit einer kleinen, kontrollierbaren Basis von 450 Mitgliedern den Akt der Gründung zu bewerkstelligen. Schwärmer, Glücksritter und politische Esoteriker konnten Wagenknecht und ihre Getreuen bislang draußen halten.

    Gelingt es, die organisatorische Strenge zu erhalten, hat das BSW gute Chancen, rechtzeitig vor den Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg arbeitsfähige Landesverbände aufzubauen. Wegen der laut Umfragen komplizierten Mehrheitsverhältnisse ist es sogar denkbar, dass die neue Partei nur wenige Monate nach der Gründung an einer Landesregierung beteiligt sein wird. Dieser Schritt trüge allerdings die Gefahr der Überforderung in sich. 

    Alles was zählt, ist Sahra Wagenknecht

    Das Konzept des Bündnisses Sahra Wagenknecht ist wie maßgeschneidert auf die Mediendemokratie unserer Zeit. Wagenknecht ist Gesicht und Inhalt ihrer gleichnamigen Partei. Personalisierung und dadurch Reduzierung von Komplexität in Reinkultur. Für den Beginn genügt das als Angebot wahrscheinlich, aber im Verlauf ist das Fundament zu schmal. Die 54-Jährige kann schließlich nicht alles allein stemmen. Sie muss nach der Gründungsphase schnell Persönlichkeiten finden, die in den Bundesländern für sich selbst stehen können. 

    Inhaltlich ist das Angebot eine Mischung aus einer verlorenen Zeit für West- wie Ostdeutsche. Ein Sozialstaat wie in den 80er-Jahren, der eine umfassende staatliche Fürsorge verspricht. Eine Asylpolitik der Kontrolle und Begrenzung von Migration. Schließlich das aus der historischen Scham über den Nationalsozialismus, seiner mörderischen Verbrechen und Kriegszüge erwachsene Gefühl, mit Russland ein gutes Auskommen zu finden. An diesen Zielen ist erst einmal nichts verwerflich, die Frage ist nur, ob sie in die Zeit nach der Zeitenwende passen?

    Sahra Wagenknecht war stets Ikone eines Widerstrebens gegen den Zeitgeist

    Aber praktische Regierungspolitik zu machen, war ohnehin nie Wagenknechts Streben. Sie war stets Ikone eines Widerstrebens gegen den Zeitgeist – sei es als Kommunistin nach dem Zusammenbruch der DDR und der Sowjetunion oder heute als Gegnerin von Gendern und den Ess- und Lebensgeboten der Grünen. Für einen Teil der Wählerschaft ist das ein romantisches Angebot, attraktiv für enttäuschte Anhänger der Linkspartei und auch der SPD. Bislang können sie ihre Enttäuschung nur bei der AfD abladen. 

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