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Kommentar: Wagenknecht beschleunigt die Krise der Demokratie

Kommentar

Wagenknecht beschleunigt die Krise der Demokratie

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    Sahra Wageknecht hat eine neue Partei gegründet: Das "Bündnis Sahra Wagenknecht".
    Sahra Wageknecht hat eine neue Partei gegründet: Das "Bündnis Sahra Wagenknecht". Foto: Lando Hass, dpa

    Auf den ersten Blick mag ein größeres Angebot und mehr Wettbewerb unter den Parteien in der Demokratie attraktiv erscheinen. An diesem Wochenende trommelt die aus der Linken ausgetretene, schillernde Oppositionspolitikerin Sahra Wagenknecht ihre Gefolgschaft zum ersten Parteitag des nach ihr benannten „Bündnisses“ zusammen. Selbst viele, die den politischen Positionen Wagenknechts wenig abgewinnen können, hegen die Hoffnung, die neue Protestpartei könne vielleicht der rechtsextremen AfD einige Prozentpunkte abspenstig machen. 

    Sahra Wagenknechts BSW: Die ersten Umfragen ernüchtern

    Die ersten Umfragen lösen jedoch Ernüchterung aus. Etablierte Umfrageinstitute sehen die Wagenknecht-Partei bundesweit bei drei bis vier Prozent. Einzig der relativ junge Erfurter Anbieter Insa sieht das „BSW“ mit sieben Prozent tatsächlich in der Lage, dass es die auf dem Ticket der Linkspartei gewonnenen Bundestagsmandate verteidigen könnte. 

    Eines haben die Umfragen gemeinsam: Die neue Partei wird der AfD bislang kaum gefährlich. Im Bund bleibt die AfD zweitstärkste Kraft, in den ostdeutschen Bundesländern hat sie mit Ausnahme Berlins und Sachsen-Anhalts klar die höchsten Werte. Am meisten nimmt Wagenknechts Abspaltung ihrer alten Partei, der Linke, weg. Verstetigt sich dieser Trend, verschlechtern sich die Chancen für Thüringens Linke-Ministerpräsident Bodo Ramelow gewaltig, sein Amt verteidigen zu können. 

    Thüringen droht die Unregierbarkeit

    Angesichts der unheimlichen Stärke der AfD unter der Führung des rechtsextremistischen Demokratieverächters Björn Höcke drohen in Thüringen massive Verwerfungen. Sollte sich ein Regierungsbündnis gegen die AfD schmieden lassen, müssten noch viel gegensätzlichere Parteien als in der vom Streit zerschlissenen Ampelkoalition zusammenfinden. Der Platz zwei hinter der AfD würde dann entscheiden, ob CDU, die Linke oder gar die Wagenknecht-Partei den Ministerpräsidentenposten bekäme. So oder so: Das Bundesland dürfte an den Rand der Unregierbarkeit geraten. 

    Dass es auch anders kommen kann, bewiesen vor zweieinhalb Jahren die Menschen in Sachsen-Anhalt: Entgegen aller Umfragen entschieden sie sich für Stabilität und bescherten dem CDU-Amtsinhaber Reiner Haseloff einen klaren Überraschungswahlsieg. 

    Der Wunsch nach Stabilität prägte jahrzehntelang das Wahlverhalten der Deutschen. Regierende konnten vom Amtsbonus zehren. Für die Bundesrepublik war die Stabilität im politischen System eine der wichtigen Grundlagen für sozialen Frieden, Wohlstand und wirtschaftlichen Erfolg. 

    Nicht nur die Parteienlandschaft, auch die Gesellschaft zersplittert

    Doch nicht nur äußere Umstände wie Kriegs-getriebene Inflation oder Zuwanderungsdruck erschüttern die alte Stabilität – oder das Bild der Ampel-Regierung, deren Führungspersonal kaum auf Amtsbonus hoffen kann. Denn neben der großen Politik neigt die Gesellschaft zur Zersplitterung, getrieben von der Suche nach Individualismus. Eine immer größere Rolle spielen dabei die sozialen Medien. Die Konzerne dahinter machen Milliarden-Werbegewinne, indem sie ihre Kundschaft mit einer Art Gefühlsrauschmittel versorgen, das längst viele gesellschaftliche Debatten vergiftet. 

    Wagenknecht, die sich schon innerhalb der Linken vor allem als Spalterin profilierte, mag ebenso wie ihre Partei in diese Zeit passen. Doch der Blick ins Ausland zeigt, wie zunehmend zersplitterte Parteiensysteme vielen Ländern geschadet haben, zu mehr Konflikten in der Politik führen und damit die Krise der Demokratie verschärfen.

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