Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Kommentar: Wachstumschancengesetz: Viel Aufregung um wenig

Kommentar

Wachstumschancengesetz: Viel Aufregung um wenig

Stefan Lange
    • |
    Blick in den Plenarsaal während der Sitzung im Bundesrat.
    Blick in den Plenarsaal während der Sitzung im Bundesrat. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Es ist nur ein kleiner Stein im wirtschaftspolitischen Baukasten der Ampel, ruft dafür aber enorm viel Aufregung hervor. Über das Wachstumschancengesetz wird in einer Art und Weise gestritten, als ob allein davon die Prosperität des Landes abhinge. Zur Einordnung: Es geht um 3,2 Milliarden Euro, das ist in Relation zum Bruttoinlandsprodukt von etwa vier Billionen Euro nicht einmal ein Tropfen auf dem heißen Stein. Der Staat wird voraussichtlich bald eine Billion Euro Steuern einnehmen, der neue Klima- und Transformationsfonds hat ein Volumen von 211 Milliarden Euro, Intel bekommt zehn Milliarden Euro – was also soll die Aufregung um jährlich 3,2 Milliarden, die sich noch dazu etwa hälftig auf Bund und Länder verteilen? 

    Das Geld ergießt sich auf so viele Einzelposten, dass die Wirkung schon deswegen überschaubar ausfällt. So gibt es mindestens ein Dutzend Änderungen im Bereich der Einkommens- und Gewerbesteuer. Darunter die Anhebung der Freigrenze für Geschenke von 35 auf 50 Euro sowie die Erhöhung der Zuwendungen bei Betriebsveranstaltungen von 110 auf 150 Euro. Durch Präsente und feuchtfröhliche Feiern wird das Land allerdings nicht zu retten sein. 

    Wachstumschancengesetz scheitert im Vermittlungsausschuss

    Zur Wahrheit gehört auch: Die Regierung wollte ursprünglich ein mit sieben Milliarden Euro deutlich größeres Paket auf den Weg bringen. Die Länder wehrten sich, fürchteten die hohe Belastung der Einnahmeausfälle. Übrig blieb statt eines Pakets nur ein Päckchen, das nun im Vermittlungsausschuss von Bund und Ländern noch einmal aufgeschnürt wird. Eine Verhandlungsrunde ging am Mittwochabend ohne echtes Ergebnis zu Ende, weil die Union dem Gesetz nicht zustimmte. 

    Bei den großen Wirtschaftsverbänden hob sofort anschließend das große Wehklagen an. „Chance für steuerpolitischen Wachstumsimpuls verpasst“, hieß es aus dem Verband der Chemischen Industrie. „Ein katastrophales Signal für die deutsche Wirtschaft“ sah der Bundesverband der Deutschen Industrie. Der Deutsche Städtetag und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber hatten das Gesetz zuvor bereits als unzureichend kritisiert. 

    In Wahrheit geht es um viel mehr

    Die Inhalte der Stellungnahmen lassen gleichzeitig den Schluss zu, dass es den Unternehmen nur am Rande um das Wachstumschancengesetz an sich geht. Was sie erwarten, ist eine große Steuerreform, ein großer Wurf der Ampelkoalition, der zum Beispiel die Unternehmenssteuer dauerhaft absenkt. Deutschland liegt hier international im oberen Drittel, eine Reduzierung würde die Wettbewerbsfähigkeit erheblich steigern. Eine steuerliche Entlastung ist zwar geplant. Doch die Ampel – allen voran Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) – streitet wieder einmal über den richtigen Weg und vergeudet wertvolle Zeit. 

    Was steckt hinter dem Vorwurf der Blockade?

    CDU und CSU wird im Zusammenhang mit dem Wachstumschancengesetz eine „Blockadehaltung“ vorgeworfen. Dieser Begriff allerdings führt in die Irre, denn die Union will das Vorhaben nicht verhindern. Sie möchte vielmehr erreichen, dass SPD, FDP und Grüne die schrittweise Kürzung beim Agrardiesel zurücknehmen. Um das durchzusetzen, nehmen sie ihre Rechte als Opposition wahr, in diesem Fall mit einem Umweg über den Bundesrat. Das ist legitim und hat mit Blockade wenig zu tun. 

    Das Wachstumschancengesetz wird voraussichtlich am 22. März bei der nächsten Bundesratssitzung wieder auf der Tagesordnung stehen. Bis dahin haben Regierung und Opposition Zeit, einen Kompromiss zu finden. Und selbst, wenn das nicht gelingen sollte, wäre das keine Katastrophe für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden