Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Kommentar: Vorsicht bei den neuen gentechnischen Verfahren

Kommentar

Vorsicht bei den neuen gentechnischen Verfahren

Michael Kerler
    • |
    Die EU will es ermöglichen, dass neue gentechnische Methoden leichter angewendet werden können.
    Die EU will es ermöglichen, dass neue gentechnische Methoden leichter angewendet werden können. Foto: Norbert Försterling, dpa

    Manchmal finden gravierende Änderungen eher still und unbeachtet statt. Die aufgeregte Debatte um das Heizgesetz, neue Flüchtlingswellen und die ein oder andere unbedachte Aussagen von CDU-Chef Friedrich Merz haben die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zuletzt in Beschlag genommen. Fast untergegangen ist, dass die Europäische Union derzeit an neuen Regeln zur Gentechnik arbeitet. Die Vorschriften für gentechnisch veränderte Pflanzensorten könnten bald gelockert werden. Das Thema hat mehr Aufmerksamkeit verdient, hat es doch weitreichende Auswirkungen darauf, welche Produkte auf unseren Tellern landen könnten und von welchen Pflanzen sie stammen. 

    Geht es um Umweltgifte, war die Bevölkerung über die Jahre in manchen Bereichen erstaunlich tolerant. Zu sehr hing man zum Beispiel lange Zeit am Diesel. Der Gentechnik trauten viele Menschen dagegen nie recht über den Weg. Die Europäische Union hat deshalb bereits 2001 sehr strenge Regeln für die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen erlassen. Länder wie die USA sind weitaus liberaler. Doch die Technologie hat sich in 20 Jahren verändert. Neue Techniken wie die Genschere - Fachleute sprechen von der Crispr/Cas-Methode - erlauben es, aus dem Erbgut von Pflanzen gezielt Gene für bestimmte Eigenschaften herauszunehmen. Forscherinnen und Forscher erreichen damit in kurzer Zeit Resultate, die sonst durch Züchtung und Kreuzung Jahre in Anspruch nehmen. Die grüne Gentechnik zeichnet zudem aus, dass keine Gene fremder Arten eingefügt werden.

    Gesellschaft kann sich nicht auf Dauer der Gentechnik verschließen

    Die Gesellschaft wird sich nicht auf Dauer der Gentechnik verschließen können, vor allem, da sie Antworten für die Landwirtschaft auf den Klimawandel verspricht. Die Hoffnung besteht, schneller zu hitzeresistenten oder pilzunempfindlichen Sorten zu kommen, sei es bei Weizen, Wein oder Gemüse. Renommierte Institutionen wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft oder die Nationale Akademie der Wissenschaften setzen sich für eine Liberalisierung ein. Und doch bleiben Risiken, die adressiert werden müssen. 

    Imker machen sich Sorgen, dass ihr Honig mit genveränderten Pollen verunreinigt werden kann. Die heimische Biolandwirtschaft befürchtet, dass durch Wind oder mit heftigem Regen eines Tages genverändertes Saatgut auf die eigenen Äcker gelangen kann. Verunreinigungen machen dann schnell die komplette Ernte wertlos. Genpflanzen und Biolandwirtschaft schließen sich aus. 

    Überhaupt hatte der Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft bisher einen zweifelhaften Ertrag. In Erinnerung ist der genveränderte Mais Roundup-Ready des mittlerweile zu Bayer gehörenden US-Unternehmens Monsanto, der dank eines eingesetzten Gens resistent gegen das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat ist. Der Effekt: Das hochumstrittene Pflanzenschutzmittel wurde gerade in den USA auf noch mehr Äckern ausgebracht. 

    Im Supermarkt muss beim Thema Gentechnik Transparenz herrschen

    Die EU muss einen gut überlegten Mittelweg finden. Um die Chancen der neuen Gentechnik zu nutzen, muss sie Verfahren erleichtern. Trotzdem werden Unternehmen und Forscher klare Leitplanken brauchen. Eine Freisetzung genveränderter Pflanzen ohne Prüfung wäre eine Abkehr vom Vorsorgeprinzip, mit dem Europa seit Jahren gut gefahren ist. Gefahren sollen vermieden werden, bevor ein Produkt in Verkehr kommt. Wichtig wird es zudem sein, hinreichend große Abstände zu Gen-Feldern sicherzustellen. Schließlich müssen am Ende im Supermarkt Produkte mit gentechnisch veränderten Zutaten klar gekennzeichnet werden. Die Produkte mögen unbedenklich sein, aber die Wahl wollen viele Verbraucherinnen und Verbraucher trotzdem haben.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden