Ob in der Arbeitswelt, der Kultur oder beim Sport. Menschen mit geistiger Behinderung sind im Alltag kaum bis gar nicht sichtbar. Dabei gelten in Deutschland über 1,7 Millionen Menschen als geistig oder seelisch behindert. Mit den nun in Berlin beginnenden Special Olympics treten einige von ihnen zumindest für kurze Zeit öffentlich in Erscheinung. Abseits der weltweit größten inklusiven Sportveranstaltung muss aber mehr passieren. Inklusion ist mehr, als darüber zu reden. Gerade der Sport und Vereine sind dafür die perfekte Möglichkeit, von der alle profitieren können.
Vor den Special Olympics: Echte Sichtbarmachung sieht anders aus
Rund 7000 Athletinnen und Athleten mit geistiger oder mehrfacher Behinderung treten in den kommenden Tagen in 26 Sportarten bei den Special Olympics an. Übergeordnetes Ziel des Events, zu dessen Eröffnungsfeier im Berliner Olympiastadion 50.000 Menschen erwartet werden, sind Sichtbarmachung, mehr Anerkennung und Selbstvertretung. Davon sprechen auch Politikerinnen und Politiker gerne, wenn der neue barrierefreie Zugang zum Bürgeramt eingeweiht wird. Echte Sichtbarmachung ist das nicht. Bestes Beispiel: Wer im Internet nach "Inklusion durch Sport" sucht, bekommt mit ebendieser Überschrift schnell die Website der Bayerischen Staatsregierung vorgeschlagen. Nach dem Klick auf die Seite kommt eine Fehlermeldung, dass diese Seite nicht mehr vorhanden ist. Erst über Umwege ist der tatsächliche Beitrag zu finden.
Echte Sichtbarmachung kann im direkten Miteinander am besten gelingen. Sich die Spiele im Stadion oder vor dem Fernseher anzusehen, hilft. Besser noch, wer selbst aktiv wird. Und zwar im eigenen Fußballklub, der lokalen Kegeltruppe oder dem Schützenverein im Nachbarort: Wo es noch keine Programme gibt, können Vereinsmitglieder auf hiesige Behindertenverbände oder Einrichtungen zugehen und Angebote wie ein inklusives Sportfest oder Schnupperkurse machen.
Beim Umgang mit Behinderten gibt es oft Hemmungen
Auf Menschen mit Behinderung zuzugehen, ist für viele Erwachsene nicht leicht, die Hemmung oft groß. Das kann aus Rücksichtnahme oder Unsicherheit sein, weil die Erfahrung im Umgang fehlt. Das ist verständlich. Deshalb: Ob mit oder ohne Behinderung, am einfachsten gelingt der erste Kontakt im gemeinsamen Sport.
Keine Probleme haben da erfahrungsgemäß Kinder. Sie spielen nicht etwa aus Mitleid, sondern völlig vorurteilsfrei mit Gleichaltrigen, die mit einer Behinderung leben. Wieso für sie also nicht das erste inklusive Sommerfest im lokalen Dorfverein organisieren, die Kinder regeln den Rest schon selbst. Mit seiner Niederschwelligkeit könnte der Sport nicht besser dafür geeignet sein. Denn dann ist Inklusion nicht mehr primär ein Zeichen von Barmherzigkeit. An erster Stelle steht dann für alle der Spaß.
Inklusion ist kein Selbstläufer
Ein Selbstläufer ist das natürlich nicht. Inklusion muss aktiv angegangen werden. Aus eigener Kraft können sich die Menschen mit geistiger Behinderung nicht inkludieren. Das bedeutet zusätzliche Vereinsarbeit und neue Herausforderungen, weil die Planung anders abläuft als üblicherweise. Damit geht aber auch eine Stärkung unseres Ehrenamts einher, und den Vereinen winken dauerhaft neue Mitglieder. In der Zusammenarbeit mit den Behindertenverbänden kann man sich die Arbeit außerdem aufteilen.
Im sportlichen Miteinander lässt sich die erste Hürde des Kennenlernens überwinden. Und im besten Fall ist das der Einstieg, von dem aus sich vieles selbst regelt. Von dem aus Menschen mit und ohne Behinderung ganz automatisch und selbstverständlich miteinander umgehen. Ohne Hemmung und Unsicherheit. Und von dem aus die über 1,7 Millionen Menschen mit geistiger Behinderung dann auch in der Arbeitswelt oder der Kulturszene sichtbarer sind.