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Kommentar: Vom Wiederaufbau profitiert nicht nur die Ukraine

Kommentar

Vom Wiederaufbau profitiert nicht nur die Ukraine

Stefan Lange
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    Zerstörte Kuppeln liegen neben einer beschädigten Kirche in einem zurückeroberten Dorf in der Ostukraine.
    Zerstörte Kuppeln liegen neben einer beschädigten Kirche in einem zurückeroberten Dorf in der Ostukraine. Foto: Andriy Andriyenko, AP/dpa

    Viele Staaten verdienen an einem Krieg doppelt. Erst liefern sie Waffen. Anschließend die Maschinen und das Material, um das Zerstörte wieder aufzubauen. Der Ukraine-Krieg ist ein Beispiel. Länder wie Deutschland schicken jetzt Panzer und denken bereits an die Zeit, in denen die Planierraupen anrücken müssen. Kanzler Olaf Scholz hat im Rahmen der deutschen G7-Präsidentschaft für Dienstag zusammen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu einer internationalen Wiederaufbaukonferenz nach Berlin eingeladen. „Es geht darum, dass wir jetzt ein Zeichen der Hoffnung setzen, mitten in dem Grauen des Krieges, dass es wieder aufwärts geht“, sagt der SPD-Politiker. Es geht aber auch noch um andere Dinge.

    Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des International Security and Development Center (ISDC) errechneten in einer Anfang des Jahres veröffentlichten Studie, dass vor allem „die nordamerikanischen, europäischen und ozeanischen Länder hauptsächlich von ihrer Beteiligung an Konflikten, die meist auf fremdem Boden stattfanden“, finanziell profitieren. Und weiter: „Dieses Ergebnis erklärt nicht nur das Fortbestehen von Konflikten, sondern auch den zunehmenden Trend zu internationalisierten internen Konflikten.“

    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will mit der Wiederaufbaukonferenz in Berlin ein Hoffnungszeichen für die Ukraine setzen.
    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will mit der Wiederaufbaukonferenz in Berlin ein Hoffnungszeichen für die Ukraine setzen. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Man werde in den Wiederaufbau „sehr viel investieren müssen, damit das gut funktioniert“, sagte Scholz am Wochenende und ergänzte: „Das kann nur die ganze Weltgemeinschaft, die jetzt die Ukraine unterstützt. Und sie muss es für lange Zeit tun.“ Doch die tektonischen Platten des politischen Weltgefüges verschieben sich. China sitzt auf riesigen Devisenvorkommen und dürfte bereits prüfen, wie es sich in der geplante Kauf von Anteilen am Hamburger Hafen ist da gerade ein großer Aufreger, aber nur ein kleines Teil im Wirtschaftspuzzle der Chinesen.

    Die Krisen zehren die Reserven auf

    Wenn Peking jedoch investiert, reagieren andere Staaten verschreckt. Oder es fehlen ihnen die Mittel. Die EU wollte eigentlich mit ihrem „Global Gateway“-Projekt gegen die Neue Seidenstraße halten. Doch dafür ist kein Geld da, wie aus Brüssel zu hören ist. Die Energiekrise, die Inflation und desolate Haushalte in einigen Mitgliedstaaten zehren die Reserven auf. Was die Frage aufwirft, woher all die Milliarden kommen sollen, von denen Scholz richtigerweise spricht. Die USA könnten als maßgeblicher Finanzier beim Wiederaufbau ausfallen. Vor den amerikanischen Zwischenwahlen Anfang November mehren sich die Stimmen aus dem Trump-Flügel der Republikaner, die gegen die Milliardenzahlungen an das Land mobil machen.

    Russland hat die Ukraine zuletzt immer wieder mit Drohnen angegriffen. Häuser und Wohnungen sind zerstört und müssen wieder aufgebaut werden.
    Russland hat die Ukraine zuletzt immer wieder mit Drohnen angegriffen. Häuser und Wohnungen sind zerstört und müssen wieder aufgebaut werden. Foto: Roman Hrytsyna/AP, dpa

    Das alles darf kein Grund sein, die Menschen in der Ukraine alleinzulassen, und bereits jetzt schon wird in den Wiederaufbau investiert. Viele haben in dem Kriegsland ihre Wohnungen verloren und der kalte Winter steht bevor. Nach neuesten Zahlen des UNHCR-Flüchtlingshilfswerks sind bereits knapp 3,8 Millionen Ukrainer in Europa als Flüchtlinge registriert. „Wenn es in der Ukraine keinen Strom, keine Heizung, kein Wasser mehr gibt, kann das einen neuen Migrationstsunami auslösen“, warnte der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

    Die Geschichte macht Hoffnung, dass der Wiederaufbau am Ende gelingt. Nach dem Zweiten Weltkrieg statteten die USA den Marshallplan mit 13 Milliarden Dollar aus, das entspräche heute einer Summe von etwa 155 bis 160 Milliarden Dollar. Über das Ergebnis können sich die Deutschen und alle Europäer jeden Tag freuen. Es gäbe eine günstige Alternative, doch die ist leider nur ein Traum: weltweiter Frieden.

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