Olaf Scholz ist ein ausdauernder Läufer – um den Spagat auszuhalten, in den er sich jetzt begeben hat, müsste der Kanzler aber schon ein Turner mit olympiareifen Fähigkeiten sein. Andere Länder in eine Art Klima-Klub einzuladen, der beim Abschied von den fossilen Energien mit gutem Beispiel vorangeht, gleichzeitig aber den Senegal beim Erschließen eines neuen Gasfeldes zu unterstützen: Größer kann die Kluft zwischen Reden und Handeln kaum sein.
Mit dem Gipfel von Elmau wollte Scholz sich an die Spitze einer neuen, mutigeren Allianz von Klimaschützern setzen. Dafür aber ist Deutschland der denkbar falscheste Anführer – ein Land, das sich wie kaum ein anderes abhängig gemacht hat von russischer Energie, das in seiner Not immer mehr Kohle verfeuert und in der ganzen Welt hektisch Erdgas zusammenkauft. So gerne im politischen Berlin von der neuen Verantwortung die Rede ist, die Deutschland in einer immer unsichereren Welt trage, so schwer tun seine Regierungen sich damit, sobald es konkret wird. Auch in Elmau gab in den zentralen Fragen, allen voran bei der Unterstützung der Ukraine und dem Kampf gegen den Hunger in Ostafrika, nicht der Gastgeber Scholz Takt und Tonlage vor, sondern die amerikanische Delegation.
USA liefern der Ukraine Waffen, Ausrüstung und Munition
Früher, entschiedener und entschlossener müsse sich Deutschland in den großen Krisen unserer Zeit einbringen, hat der damalige Bundespräsident Joachim Gauck schon 2014 in einer berühmt gewordenen Rede verlangt. Verändert hat sich seitdem, trotz des allgemeinen Beifalls für diese These, nicht viel. Aus Afghanistan ist die Bundeswehr im Schlepptau der US-Truppen abgezogen, in der Europapolitik ist nicht mehr Angela Merkel, sondern der französische Präsident Emmanuel Macron die treibende Kraft – und ob dem vom deutschen Kanzler so gefeierten Klima-Klub mehr Länder als die der Siebenergruppe beitreten, ist noch längst nicht ausgemacht. Vielen Staaten ist in Zeiten knapper Energie das berühmte Hemd näher als der Rock: Sie verbrennen weiter Erdgas, Erdöl und billige Kohle – oder sie setzen, wie Japan, wieder stärker auf die Atomkraft.
So einig wie es ihr Treffen im Elmauer Alpenidyll suggerieren sollte, sind sich Amerikaner, Franzosen, Briten, Kanadier, Japaner, Italiener und Deutsche jedenfalls nicht immer. Die USA, zum Beispiel, hätten sich von der Gipfelrunde nicht nur ein entschlosseneres Vorgehen gegen russische Öl-Exporte gewünscht. Sie liefern der Ukraine auch im großen Stil Waffen, Ausrüstung und Munition, während die Bundesregierung hier eher zögerlich agiert.
Scholz nimmt aus Elmau nicht viel mit nach Hause
Vor diesem Hintergrund wirkt auch die Forderung von SPD-Chef Lars Klingbeil, Deutschland müsse seine internationale Zurückhaltung aufgeben und auch militärisch stark werden, seltsam schal. Weder ist die Bundeswehr in ihrem gegenwärtigen Zustand zu weiteren Auslandseinsätzen oder der Übernahme zusätzlicher Aufgaben in der Nato in der Lage noch hat die Bundesregierung bisher eine Antwort auf die Frage gefunden, wie weit sie bei der militärischen Unterstützung der Ukraine und den Sanktionen gegen Russland noch zu gehen bereit ist.
Kein Kanzler wird als Außenpolitiker geboren – eine Außenpolitik im Gauck’schen Sinne aber ist von Scholz nicht zu erwarten. Dass er zum Abschluss der drei Gipfeltage noch eigens betonen musste, er habe hier mehr getan als nur die Sitzungen zu leiten, spricht Bände. Außer seinem Klima-Klub nimmt der Kanzler aus Elmau nicht viel mit nach Hause.