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Kommentar: Die Verbotsrepublik? Warum Verbote nichts Schlimmes sein müssen

Kommentar

Die Verbotsrepublik? Warum Verbote nichts Schlimmes sein müssen

Michael Stifter
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    Das Rauchverbot in Kneipen und Restaurants hat einmal die Gemüter erhitzt. Heute ist es ganz normal.
    Das Rauchverbot in Kneipen und Restaurants hat einmal die Gemüter erhitzt. Heute ist es ganz normal. Foto: Jan-Philipp Strobel, dpa

    Der Bundesverkehrsminister ist ein Mann der Freiheit. Volker Wissing hält nichts von Verboten und überlässt die Dinge lieber dem freien Markt. Schließlich ist er bei der FDP. Man möchte

    Die vermeintliche "Verbotsrepublik Deutschland" ist zum politischen Kampfbegriff geworden: Wer etwas verbietet, hat keine besseren Ideen. Wer etwas verbietet, will Menschen umerziehen, ihnen den freien Willen nehmen und die Lebensfreude gleich mit. Passt in jede Bierzeltrede. Applaus garantiert. 

    Adressat sind meistens die Grünen. Das haben sie sich zum Teil selbst zuzuschreiben. Denn tatsächlich kommen aus der Partei bisweilen recht absonderliche Ideen, was man Bürgerinnen und Bürgern oder Unternehmen noch so alles vorschreiben sollte. Doch die Polemik verstellt den Blick darauf, dass sich Verbote nicht automatisch verbieten, wenn man grundsätzlich etwas verändern will. 

    Nur drei Beispiele: Vor 28 Jahren wurde in den Industrienationen Fluorchlorkohlenwasserstoff, besser bekannt als FCKW, verboten. Bis dahin standardmäßig in Kühlschränken oder Spraydosen verwendet, hätte wohl kaum der Markt von allein dafür gesorgt, dass dieses Treibhausgas, das die Ozonschicht zerstört, aus dem Verkehr gezogen wird. Die neuen Regeln hingegen zeigten Wirkung: Inzwischen hat sich die schützende Ozonschicht nachweislich erholt. 

    Rauchen im Restaurant war früher ganz normal - und heute?

    Oder nehmen wir das Rauchverbot in Restaurants und Bars. Was war das für ein Aufschrei. Gastronomen liefen Sturm, Raucher fühlten sich diskriminiert, vom Untergang der Wirtshauskultur und vom Kneipensterben war die Rede, bis 2010 ein Volksentscheid die letzte Zigarette ausdrückte. Heute käme kein vernünftiger Mensch mehr auf die Idee, dass es zur freien Entfaltung möglich sein muss, dem Tischnachbarn das Schnitzel zu verqualmen. 

    Und um den Bogen zum freiheitsliebenden Verkehrsminister zu spannen: Seit 1989 dürfen deutsche Autobauer – trotz erbitterter Gegenwehr – keine Benziner mehr ohne Katalysator produzieren. Damals Grund zur Aufregung, heute selbstverständlich. 

    Ja, wir Deutschen neigen zur Überregulierung. Und die Freiheit ist eines der höchsten Güter. Insofern muss jedes Verbot auf Sinn und Wirkung überprüft werden. Es ist absolut in Ordnung, wenn Volker Wissing die Frage stellt, ob man Neuwagen mit Verbrennungsmotor wirklich mittelfristig verbieten muss, um klimaschonenden Antrieben den Weg zu bereiten. Dass sich eine deutsche Fünf-Prozent-Partei die Freiheit nimmt, damit ganz Europa auszubremsen, steht auf einem anderen Blatt. 

    Was ist die schlüssige Alternative zum Verbrennerverbot?

    Viel schwerer wiegt, dass Wissing keine schlüssige Alternative bieten kann. Und zur Wahrheit gehört eben auch, dass gerade die Autobauer mit ihrer mächtigen Lobby im Rücken in der Vergangenheit fast immer erst dann umgesteuert haben, wenn es staatliche Anreize gab – oder Verpflichtungen. Die Dinge regeln sich eben nicht von allein und die von FDP und Union propagierte "Technologieoffenheit" bei der Entwicklung umweltfreundlicher Antriebe hat dazu geführt, dass andere uns bei der Elektromobilität davongefahren sind.

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