Mit einem versöhnlichen Signal beendet die türkische Seite ein schwieriges Jahr in den Beziehungen zwischen Ankara und Berlin. Die Haftentlassung der deutschen Übersetzerin Mesale Tolu durch ein Gericht in Istanbul ist kein Zufall, sondern eine bewusst getroffene politische Entscheidung. Der Beschluss beinhaltet die unausgesprochene Versicherung, dass Ankara nach dem wüsten Streit der vergangenen Monate bestimmte Grenzen der Auseinandersetzung anerkennt. Das heißt nicht, dass die Rückkehr zur Normalität einfach wird. Es könnte aber bedeuten, dass die nach wie vor bestehenden Streitpunkte zwischen beiden Ländern im neuen Jahr mit mehr Gelassenheit angegangen werden können.
Schon die Freilassung des Berliner Menschenrechtlers Peter Steudtner im Oktober hatte die türkische Regierung mit dem ausdrücklichen Wunsch begleitet, im Verhältnis zur Bundesrepublik wieder Ruhe einkehren zu lassen. Der Fall Tolu ist das zweite derartige Signal innerhalb weniger Wochen. Die Freilassung soll wohl auch den von der Bundesregierung geäußerten Verdacht entkräften, wonach die türkische Seite unter fadenscheinigen Gründen deutsche Staatsbürger als Geiseln ins Gefängnis werfen lässt, um die Auslieferung türkischer Regierungsgegner aus Deutschland zu erpressen. Tolus Haftentlassung ist also ein Schritt, um entstandenes Misstrauen abzubauen.
Wie geht es im Fall Deniz Yücel weiter?
Insbesondere die wirtschaftlichen Sanktionen Berlins wie die Deckelung der Hermes-Bürgschaften für Türkei-Geschäfte dürften entscheidend zum türkischen Einlenken bei Steudtner und Tolu beigetragen haben. Politische Differenzen zwischen beiden Staaten bleiben weiter bestehen. Die türkische Regierung ist nach wie vor der Ansicht, dass der Westen mutmaßliche Umstürzler schützt oder sogar ermuntert. Die Deutschen und andere EU-Mitglieder beklagen weiterhin die Erosion des Rechtsstaates in der Türkei.
Die Frage ist nun, ob die Signale der Wiederannäherung auch beim schwierigsten Streit um einen Häftling in der Türkei weitergehen werden: Der deutsch-türkische Reporter Deniz Yücel sitzt seit Februar ohne Anklage in Haft. Yücels türkischer Pass und seine Vorverurteilung durch Staatspräsident Erdogan machen diesen Fall besonders kompliziert. Möglicherweise könnte ein gesichtswahrender Ausweg für die Türken in einer bald erwarteten Anordnung des Europäischen Menschenrechtsgerichts in Straßburg zur Freilassung Yücels und anderer Journalisten bestehen. Am Ende eines katastrophalen Jahres für die deutsch-türkischen Beziehungen gibt es zumindest die Hoffnung, dass die Abwärtsspirale gestoppt ist.
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