Die AfD hat den Thüringer Landtag in diesen Tagen ein zweites Mal vorgeführt. Das Gezerre um die Wahl des Landtagpräsidenten erinnert fatal an ein Ereignis vor vier Jahren. Seinerzeit narrten die Rechtsnationalen die anderen Parteien und brachten mit ihren Stimmen den FDP-Mann Thomas Kemmerich an die Macht, den Thüringer Kurzzeit-Ministerpräsidenten. Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) weilte auf Besuch in Afrika und forderte aus der Ferne, diese Wahl rückgängig zu machen. Schon dieser Intervention hing der üble Hauch an, dass eine demokratisch vollkommen korrekte Wahl ungeschehen gemacht werden sollte, weil ihr Ergebnis ein unerwünschtes war.
Vier Jahr später ähneln sich die Szenen in Erfurt. Konsternierte Gesichter, Zwischenrufe, Nazi-Vergleiche im Plenarsaal. Die AfD hatte ihren Mann, der als Alterspräsident die erste Sitzung des Parlamentes nach der Landtagswahl leitete, planvoll vorbereitet. Jürgen Treutler blockierte die Sitzung, zog sie in die Länge, ließ die Anträge der anderen Fraktionen nicht gelten und überdehnte damit die ihm rechtlich zustehende Kompetenz, wie das Thüringer Verfassungsgericht hernach in einer Eil-Entscheidung feststellte. Treutler spielte die ihm von AfD-Landeschef Björn Höcke aufgeschriebene Rolle meisterhaft.
Höcke und AfD in Thüringen: Ein Stresstest für die Demokratie
Hinter dem Krawallstück verbirgt sich aber ein tieferer demokratischer Konflikt. Denn nach der bisherigen Geschäftsordnung hätte die AfD als stärkste Fraktion einen Kandidaten für das Amt des Landtagspräsidenten vorschlagen dürfen. Dem entsprechenden demokratischen Brauch folgend, hätte sie diesen Posten bekommen. Nun sollte aber genau das verhindert werden, wofür es wegen der rechtsextremen Ausrichtung des Landesverbandes unter Höcke gute Gründe gibt.
Doch neuerlich entsteht der irritierende Eindruck, dass Regeln, Gesetze und parlamentarische Gepflogenheiten in letzter Minute geändert werden, um den Einfluss einer bestimmten Partei zu schmälern. Wohlgemerkt handelt sich bei der AfD um die Partei, der die Thüringer die meisten Stimmen gegeben haben. „Warum dann überhaupt noch wählen?“, dürften sie sich fragen, wenn allein genehme Parteien Politik gestalten sollen.
Demokratisch ist das ein Problem, welches der Philosoph Karl Popper mit dem Toleranzparadoxon beschrieben hat. Inwieweit dürfen tolerante Parteien den Intoleranten entgegenkommen, wenn diese die Toleranz abschaffen wollen. Der Schriftsteller Erich Kästner mahnte, man müsse den Schneeball des Extremismus austreten, bevor er eine Lawine wird. Die Thüringer CDU muss sich vorwerfen lassen, die Geschäftsordnung nicht bereits in der alten Wahlperiode geändert zu haben. Auch die Regel, wonach Alterspräsident nicht der an Jahren älteste Abgeordnete wird, sondern derjenige mit der längsten Mandatszeit, hätte eingeführt werden können.
Um die AfD zu schwächen, müssten politische Wettbewerber attraktiver werden
Womöglich hoffte aber die CDU, die AFD noch abzufangen und bei der Landtagswahl stärkste Kraft zu werden. Dann hätte sie sicher den Landtagspräsidenten gestellt. Genau das ist ihr nun schließlich auch gelungen, allerdings zum Preis des Eklats. Dennoch bleibt bei diesen Winkelzügen stets ein demokratisches Unbehagen zurück. Um es zu vertreiben, müsste die AfD bei den kommenden Wahlen schwächer werden, damit sie gar nicht erst in aussichtsreiche Position kommt, was aber gleichzeitig bedeutet, dass ihre Wettbewerber viel attraktiver werden müssen.
Oder aber die Alternative für Deutschland müsste verboten werden. Denn wenn sie antritt und gewählt wird, hat sie den Anspruch auf die Meinungs- und Willensbildung, wie die anderen Kräfte auch.
Ich verstehe die CDU und die SPD nicht. Da hat in Thüringen die AfD die meisten Stimmen bekommen, in einer Demokratie ist es Brauch, dass diese Partei versucht, eine Regierungsmannschaft zusammen zu bringen. Auf grund des Wahlergebnisses braucht sie einen Koalitionspartner, den muss sie eben finden. Koalitionen sind keine Liebesehe, wie man bei der Ampel sieht. Aber die CDU hätte in einer Koalition mit der AfD die Möglichkeit, den Wählern der AfD aufzuzeigen, dass die AfD viel verspricht, aber nichts halten kann. Das würde weit mehr helfen als jede Brandmauer, aber statt dessen erhebt man gleich nach der Wahl den Führungsanspruch. Insoweit ist das ein seltsames Demokratieverständnis der CDU! Und die AfD glänzt in ihrer Opferrolle, die ihr weitere Stimmen bringen wird.
Sie setzen in Ihrer Argumentation Logik, Weitsicht und Verstehen des Wählerwillens voraus. Leider können Sie dies bei den derzeitigen Politikerinnen und Politikern nicht erwarten. Dafür sind stures Abschotten und Ignoranz sehr ausgeprägt.
Das hat bisher ja auch im europäischen Vergleich immer sehr gut funktioniert? Meine Güte, selbst die Landesverräter der FPÖ könnten ganz Österreich meistbietend an den nächsten Diktator verkaufen, so lange sie nur genug auf Migranten draufhauen werden sie Gewählt. Wer sich mit Faschisten ins Bett legt wacht marginalisiert auf.
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