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Kommentar: Team Eigenverantwortung: Die Pandemie tritt in eine neue Phase

Kommentar

Team Eigenverantwortung: Die Pandemie tritt in eine neue Phase

Margit Hufnagel
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    Ein Corona-Schnelltest zeigt ein positives Ergebnis an.
    Ein Corona-Schnelltest zeigt ein positives Ergebnis an. Foto: Danny Gohlke, dpa

    Es gab einmal Zeiten, in denen war die Pressekonferenz nach den Corona-Gipfeln so etwas wie eine Weiche, die die alltäglichen Bahnen der nächsten Wochen gelenkt hat. Mit Spannung erwarteten die Zuschauer, ob Lockerungen versprochen oder neue Regeln verhängt wurden. Entsprechend wurde das eigene Leben auf eine Art Abstellgleis manövriert oder setzte sich behutsam wieder in Bewegung. Die Worte – vor allem der Kanzlerin – hatten für einen großen Teil des Landes Gewicht.

    Inzwischen aber gerät die Möglichkeit, Deutschland politisch durch diese Krise zu navigieren, zunehmend an ihre Grenzen. Das liegt nicht nur daran, dass das Virus unberechenbar ist und damit Vorhersagen und Versprechen von geringer Haltbarkeit sind. Es liegt auch daran, dass die Regeln zu einem Dickicht geworden sind, das kaum mehr zu durchdringen ist. Kaum ist das letzte Wort in der Ministerpräsidentenrunde gesprochen, scheren schon die ersten Länderchefs aus. 2G, 2G plus, PCR-Pflicht, Genesenennachweis – die Corona-Regeln wurden zur Millionen-Frage im Quiz des Lebens. Nach zwei Jahren Krise haben sich die meisten Menschen lieber ihr eigenes Grundwissen Virologie angeeignet: Maske tragen, Abstand halten, Menschenmengen meiden, drinnen ist es gefährlicher als draußen. Damit koppelt sich der Pandemie-Alltag immer weiter ab von der Politik und deren Parteitaktik.

    Die Lage in den Kliniken bleibt beherrschbar

    Für die Regierung ist das Gefahr und Chance zugleich. Zum einen machen sich immer mehr Bürgerinnen und Bürger ihre eigenen Corona-Regeln, für das Gemeinwohl kann das zum Sprengsatz werden. Zum anderen ist damit aber auch ein Effekt eingetreten, der durchaus sinnvoll ist: Die Menschen übernehmen Eigenverantwortung und verlassen sich nicht mehr (nur) auf die Politik, die ihnen sagt, was richtig und was falsch ist. Der Staat – das sind wir. Ohnehin ist die Corona-Pandemie mit der Omikron-Mutante in eine neue Phase eingetreten. Während die Zahl der Infizierten täglich neue Rekordwerte erreicht, bleibt die Lage in den Kliniken zumindest beherrschbar. Damit ist es nicht nur zumutbar, dass die Verantwortung für die eigene Gesundheit wieder stärker zurück in die Hände eines jeden Einzelnen gelegt wird, es ist sogar Pflicht.

    Von Anfang an bestand der schwierigste Balance-Akt darin, einen angemessenen Weg zu finden zwischen der persönlichen Freiheit der Menschen und der Schutzpflicht, die der Staat in einer Ausnahmesituation zu übernehmen hat. Dass die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit manchmal beängstigend groß war, wurde von einem großen Teil der Bevölkerung mit großer Gelassenheit hingenommen. Doch das scheint sich langsam zu ändern. Für die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten bedeutet das vor allem eines: Sie werden in Zukunft noch mehr erklären müssen, warum welcher Weg der richtige für sie ist. Ohne schlüssige Argumente werden die Menschen ihr Verhalten nicht anpassen. Das dürfte auch für den weiteren Impffortschritt entscheidend sein. Auch wenn es sich Gesundheitsminister Lauterbach noch nicht eingestehen will: Die Impfpflicht steht auf wackligen Füßen. Wirklich vermittelbar ist sie kaum mehr, wenn sich auch Geimpfte reihenweise anstecken.

    Was uns Corona für den Klimawandel lehren kann

    Was für die Pandemie gilt, gilt übrigens im gleichen Maße für die zweite große weltumspannende Krise: den Klimawandel. Die Pandemie hat eindrücklich bewiesen, dass eine Politik der Anordnungen zwar in einer akuten Notsituation sehr gut funktionieren kann, aber niemals auf Dauer angelegt ist. Erst wenn eine Gesellschaft wirklich überzeugt ist, dass sie ihre Gewohnheiten auch im eigenen Interesse ändern muss, wird sie das tun.

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