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Kommentar: Tausche Geiseln gegen Zeit: Das perfide Spiel der Hamas

Kommentar

Tausche Geiseln gegen Zeit: Das perfide Spiel der Hamas

Rudi Wais
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    Unter Druck: Israel Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.
    Unter Druck: Israel Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Foto: Abir Sultan, Pool European Pressphoto Agency/AP, dpa

    Um seine Bürger zu retten, zahlt Israel hohe Preise. Mehr als 1000 palästinensische Gefangene musste die Regierung im Herbst 2011 freilassen, um den jungen Soldaten Gilad Schalit nach fünf Jahren in der Gewalt der Hamas nach Hause holen zu können. Unter den Häftlingen war damals auch Yahya Sinwar – heute der mächtigste Mann der Terrorbande in Gaza und damit der Hauptverantwortliche für die Massaker vom 7. Oktober. 

    Eine schnelle Lösung ist im Nahostkonflikt nicht in Sicht

    Nun wiederholt sich diese zynische Logik aufs Neue. Anders als die Hamas, die über Leichen geht, kann Israel deren Geiseln nicht einfach ihrem Schicksal überlassen, weil für Israel jedes Menschenleben zählt. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und sein Kriegskabinett haben sich deshalb auf eine Feuerpause und einen Gefangenenaustausch eingelassen, der Familien zusammengeführt und Leben gerettet hat, der diesen Konflikt aber nicht entschärfen oder gar beenden wird. So groß die Freude über die Heimkehrer in Israel in diesen Tagen ist, so tief sitzt dort auch die Sorge, dass die Hamas ihr perfides Spiel mit den Geiseln auf die Spitze treibt und einen Teil der Gefangenen noch über Monate, wenn nicht gar Jahre in ihren Tunneln versteckt. Zu glauben, in wenigen Wochen wären alle Entführten wieder frei, wäre jedenfalls reichlich naiv.

    Die Geiseln sind das stärkste Faustpfand der Hamas. Mit ihnen und der Freilassung nach der Salamitaktik erkauft sie sich Zeit – Zeit, um sich zu sortieren und neu aufzustellen, aber auch jede Menge Zeit, die gegen die israelische Regierung arbeitet. Je länger sich noch Landsleute in den Händen der Hamas befinden, umso stärker wird auch der Druck auf Netanjahu werden, die Waffen weiter ruhen zu lassen und noch mehr palästinensische Häftlinge freizulassen. Zwar hat der Premier bereits angekündigt, Israel halte an seinem Kriegsziel fest, nämlich dem kompletten Zerschlagen der Hamas. Mit jeder neuen Kampfpause jedoch wird es für die israelische Armee schwerer, ihre Offensive gegen die Terroristen fortzusetzen. Schon jetzt bröckelt die Unterstützung für ihren Einsatz in weiten Teilen Europas und in Teilen der amerikanischen Politik. Die Gefahr, dass sich die Geschichte wiederholt, ist daher groß: Ägypten und Katar handeln eine Waffenruhe aus, die anfangs auch funktioniert, am Ende aber nur der Hamas nutzt, die dadurch Zeit gewinnt, um den nächsten Angriff auf Israel vorzubereiten.

    Das ganze Land Israel fühlt mit den Geiseln der Hamas

    In diese Falle ist Israel wiederholt getappt – entsprechend gering dürfte die Neigung Netanjahus sein, sich nun auf einen ähnlichen Handel einzulassen. Die schiere Zahl der noch immer etwa 200 Geiseln und die Erwartung ihrer Angehörigen, dass Israel alles für sie tun werde, schränken seinen Handlungsspielraum jedoch stark ein. Mag Verteidigungsminister Yoav Galant auch markig ankündigen, alle weiteren Verhandlungen mit der Hamas fänden „unter Feuer“ statt – das Risiko, dabei das Leben von Geiseln zu gefährden, wird Netanjahu kaum eingehen wollen. „Bring them home“, steht auf grauen Anhängern, die aussehen wie die Erkennungsmarke eines Soldaten und die viele Israelis seit Tagen um den Hals tragen. „Bring sie zurück.“

    Das ganze Land fühlt mit den Geiseln und ihren Familien, gleichzeitig aber ist das Land auch mehrheitlich der Meinung, dass der Kampf gegen den Terror so lange weitergeführt werden muss, bis die Hamas keine Gefahr mehr für Israel ist. Wie die Regierung diesen Spagat aushalten soll, ohne daran zu zerbrechen, weiß im Moment vermutlich auch Benjamin Netanjahu noch nicht, der für gewöhnlich keine falschen Rücksichten nimmt. Im Moment allerdings sitzt die Hamas mit ihren Erpressermethoden am längeren Hebel. Sie ein für alle Mal auszuschalten, wäre auch ein Signal an alle anderen Extremisten und

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