Liz Truss wollte mit ihrer Parteitagsrede die Stimmung bei den Tories herumreißen. Dass ihr das gelungen ist, ist zu bezweifeln. Nach der politischen Kehrtwende diese Woche stabilisierten sich die Märkte zwar, die Hypothekenzinsen blieben jedoch hoch. Darunter leiden viele Menschen im Land. Truss behauptet, die Sorgen der Menschen zu kennen.
In ihrer Politik spiegelt sich dies aber nicht wider. Im Gegenteil: Sie gibt den Wünschen einer Minderheit der Gesellschaft nach, von Unternehmern und Wohlhabenden. Dass sie die Steuersenkungen für Besserverdiener zurücknahm, die im Mittelpunkt ihrer Politik stand, hat daran nichts geändert. Truss und ihr Finanzminister Kwasi Kwarteng haben durch ihre radikalen Maßnahmen dem Land und der Wirtschaft geschadet. Sie haben den Rückhalt in der Bevölkerung und damit auch in weiten Teilen der eigenen Partei verloren – zu Recht. Und es ist unwahrscheinlich, dass die Tories das Vertrauen bis zur nächsten Wahl wieder herstellen zu können.
Die nächste Regierung in Großbritannien wird aller Wahrscheinlichkeit nicht von der konservativen, sondern von der Labour-Partei gestellt. Schaut man in die Geschichte des Landes, ist ein Wechsel nach zwei Wahlperioden durchaus zu erwarten.
Die konservative Partei könnte sich in der Opposition regenerieren
Während die Tories orientierungslos und gespalten wirken, präsentierte sich Labour beim Parteitag in Liverpool geeint und geschlossen. In der Opposition könnte sich die konservative Partei regenerieren. Bis dahin wären die Tories gut beraten, auf einen moderaten Kurs zu setzen. Sie sollten Maßnahmen ergreifen, die für Stabilität und Sicherheit sorgen und so wenig Schaden wie möglich anrichten. So könnten sie sich die Chancen auf Wahlerfolge in der Zukunft wahren. Wahrscheinlicher ist jedoch ein anderer Verlauf.
Truss hat verkündet, an ihrem neoliberalen Kurs festhalten zu wollen. Die 47-Jährige verfolgt ihren Pfad zu mehr Wachstum durch Steuersenkungen weiter – obgleich die Mehrheit der Briten genau das nicht wollen. Dass Truss ohne Wenn und Aber auf diese Karte setzt, ist tragisch und gefährlich. Für das Land und ihre Partei.