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Kommentar: So lässt sich die Spaltung der Gesellschaft verhindern

Kommentar

So lässt sich die Spaltung der Gesellschaft verhindern

Michael Stifter
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    Eine kleine Minderheit demonstriert aktuell gegen Corona-Maßnahmen. Die Regierung muss aufpassen, damit es nicht mehr werden.
    Eine kleine Minderheit demonstriert aktuell gegen Corona-Maßnahmen. Die Regierung muss aufpassen, damit es nicht mehr werden. Foto: Daniel Reinhardt, dpa (Symbol)

    Man könnte es sich ganz einfach machen und feststellen, dass von einer Spaltung der Gesellschaft gar keine Rede sein kann – allenfalls von der Abspaltung einer kleinen, sich selbst radikalisierenden Minderheit. Einer wild zusammengewürfelten Gruppe von Menschen, die nicht nur ein Misstrauen gegen die Corona-Maßnahmen hegen, sondern gegen die Wissenschaft, den Staat und die Politik insgesamt. Frauen und Männer, die kein Problem damit haben, an der Seite von gewaltbereiten Extremisten zu „spazieren“. Kurzum: Menschen, die mit Argumenten ohnehin nicht mehr erreichbar sind.

    Denn es stimmt ja, die große Mehrheit der Deutschen hat sich impfen lassen, um sich und andere zu schützen. Die große Mehrheit hat die massiven Einschränkungen im Kampf gegen die Pandemie mitgetragen und Rücksicht genommen. Am besten also den Krakeelern gar keine Beachtung schenken, denen an einer konstruktiven Auseinandersetzung sowieso nichts liegt.

    Aber so einfach dürfen wir es uns nicht machen. Denn diese Mehrheit bröckelt. Viele haben die Maßnahmen stets mehr ertragen als getragen. Viele zweifeln, erwarten mehr Erklärung und vor allem, dass die Einschränkungen immer wieder mit Blick auf Logik, Angemessenheit, Gerechtigkeit und ihre Wirksamkeit überprüft werden. Viele sind müde und erschöpft, manche verzweifelt. Und damit anfällig für die vermeintlich einfachen Antworten von Populisten und Demagogen, denen es oft nur vordergründig um Kritik an der Corona-Politik geht.

    Deutsche sorgen sich um gesellschaftlichen Zusammenhalt

    Noch behalten sie die Nerven, noch herrscht in weiten Teilen der Bevölkerung die Einstellung, dass wir da jetzt alle gemeinsam durchmüssen. Doch in dieses Durchhalten mischen sich auch Resignation und Ärger.

    Auch wenn die Wut tatsächlich nur von einer Minderheit ausgeht, so haben doch 72 Prozent der Deutschen das Gefühl, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt in der Pandemie gelitten hat. Das hat eine aktuelle Forsa-Umfrage ergeben. Diese womöglich gefährlichste Corona-Langzeitfolge sollten die politisch Verantwortlichen nun viel stärker in den Blick nehmen. Sie müssen mehr denn je von ihrem Kurs überzeugen.

    Zu Beginn der Pandemie blieb uns nichts anderes übrig, als mit allen Mitteln zu arbeiten. Doch heute, da wir viel mehr darüber wissen, welche Mittel wirken und welche nicht, ist es befremdlich, dass Deutschland laut einer Studie so viele verschiedene Corona-Vorschriften hat wie kein anderes Land der Welt. Das wirft Fragen auf – auch bei der geduldigen Mehrheit.

    Lauterbach erklärt viel, aber vermittelt keine Botschaften

    Hinzu kommt, dass weitreichende Entscheidungen teilweise miserabel erklärt werden. Wenn das Gesundheitsministerium quasi über Nacht festlegt, der Status „genesen“ gelte ab sofort nur noch halb so lange wie bisher, mag es plausible Gründe dafür geben, aber die müssen dann eben auch genannt werden. Andernfalls erodiert das Vertrauen und all jene fühlen sich bestätigt, die von willkürlichen Maßnahmen schwafeln.

    Der zuständige Minister Karl Lauterbach versucht ja unentwegt, uns an seinen Gedankengängen teilhaben zu lassen. Das ist im Prinzip gut. Doch bisweilen gehen bei der Vielzahl an Wortmeldungen entscheidende Informationen unter. Für viele Menschen wäre es hilfreicher, die Beweggründe für wirklich wichtige Weichenstellungen zu erfahren, anstatt quasi in Echtzeit dabei zu sein, wie die Regierung ihren Kurs nachjustiert.

    Wer verhindern will, dass die Gesellschaft auseinanderdriftet, muss es der vernünftigen Mehrheit möglichst leicht machen, sich den destruktiven Verschwörungsideologen und Demokratieverächtern selbstbewusst und mit guten Argumenten entgegenzustellen.

    Hören Sie sich dazu auch unseren Podcast an. In der aktuellen Folge spricht eine Betroffene über ihre Long-Covid-Erkrankung – und über den mühsamen Weg zurück in ein normales Leben.

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