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Kommentar: So ernst wie in der Gaskrise war die wirtschaftliche Lage noch nie

Kommentar

So ernst wie in der Gaskrise war die wirtschaftliche Lage noch nie

Stefan Lange
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    So ernst wie in der Gaskrise war die wirtschaftliche Lage noch nie
    So ernst wie in der Gaskrise war die wirtschaftliche Lage noch nie

    Wer diese Zeilen womöglich bei laufender Klimaanlage liest, sollte vielleicht schon mal zum Regler greifen und die Leistung ein wenig herunterfahren. Energiesparen ist das Gebot der Stunde, am besten, man fängt gleich damit an. Ab sofort, unverzüglich. Denn die immer schlechtere Versorgung mit russischem Gas sorgt für eine Preisexplosion, wie es sie in der deutschen Nachkriegsgeschichte noch nicht gab. Die Kosten für Gas, aber auch für Strom und Öl, sind ohnehin schon in die Höhe geschossen. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher merken das im Moment nicht, weil die Abrechnungen vor allem für Mietwohnungen erst noch kommen. Wer aber gerade seinen Öltank auffüllen ließ, um für den Winter vorbereitet zu sein, musste mindestens das Doppelte des Vorjahrespreise berappen. Mancher Urlaubsplan löste sich da in Luft auf.

    Kostenhammer droht: Verzehnfachen sich die Gaspreise?

    Hinter vorgehaltener Hand wird im politischen Berlin eine Verzehnfachung des Gaspreises nicht ausgeschlossen. Ein Einfamilienhaus mit 140 Quadratmetern Wohnfläche verursacht im Schnitt – die Höhe variiert stark nach Baujahr und Energieeffizienz – rund 1300 Euro Gaskosten pro Jahr. Selbst wenn es am Ende „nur“ zu einer Verfünffachung des Preises käme, wird deutlich, dass die Kostenexplosion nicht nur Geringverdiener überfordern wird. Sie trifft auch höhere Gehaltsgruppen hart. Und die Preise für Strom, Öl oder Kraftstoff sind da noch gar nicht mitgerechnet.

    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ruft zum Energiesparen auf. Sein Ministerium ist bislang das einzige, dass diesen Anspruch selbst umsetzt. Während der Grüne die Alarmstufe des Notfallplans Gas verkündete, surrten in den umliegenden Abgeordnetenbüros, Ministerien und anderen öffentlichen Gebäude bei Außentemperaturen nahe 30 Grad allerdings die Klimaanlagen munter auf Hochtouren. Die Regierung muss hier dringend - CDU und CSU haben es schon gefordert - zusammen mit Ländern und Kommunen einen Energieeinsparplan für öffentliche Liegenschaften auf den Weg bringen. In Italien beispielsweise dürfen öffentliche Gebäude nicht unter 27 Grad gekühlt werden, Krankenhäuser und ähnliche natürlich ausgenommen.

    Die Ampel hat bei der Reform des Energiesicherungsgesetzes geschludert

    Mit dem Einsparen von Energie allein lassen sich die gewaltigen Preissteigerungen jedoch nicht ausgleichen. Die Lobbyisten der Industrie trommeln bereits für staatliche Zuschüsse. Angesichts der Milliardengewinne in vielen Branchen ist das zwar eine Frechheit, aber die Angst vor Arbeitsplatzabbau – in Teilen ist sie natürlich berechtigt – hat schon immer den staatlichen Geldhahn geöffnet. Aber was machen die Privathaushalte?

    Es rächt sich jetzt, dass die Ampel bei der Reform des Energiesicherungsgesetzes geschludert hat. Paragraf 24 (Preisanpassungsrechte bei verminderten Gasimporten) ist so gefasst, dass Kostensteigerungen direkt an die Kundschaft durchgereicht werden können. Die Regierung muss diesen Fehler bald mit riesigen Steuerzuschüssen ausgleichen. Habeck hat schon mal 15 Milliarden Euro in den Topf geworfen, doch das wird auf die lange Strecke gerechnet nicht reichen. Und so erwächst aus der Energiekrise nicht nur ein existenzielles Problem für Privatleute und Unternehmen. Sie wird zunehmend zu einer Bedrohung für die Staatsfinanzen. Die sind durch die Folgen der Corona-Pandemie, die Kosten im Gesundheitswesen und in der Rentenversicherung– um nur drei Beispiele zu nennen – durch hunderte Milliarden Euro ohnehin schon bis ans Äußerste angespannt.

    Die wirtschaftliche Lage ist noch deutlich ernster als während der Hochphase der Corona-Pandemie

    Habeck macht es sich leicht und verweist darauf, dass die Schuld für die Entwicklung nicht bei der amtierenden, sondern bei der Vorgängerregierung liege, die sich zu sehr von russischem Gas abhängig gemacht und die Erneuerbaren nicht hinreichend ausgebaut habe. Der Grüne vergisst allerdings, dass er selbst bereits ein halbes Jahr Zeit hatte, die Weichen zu stellen. Außer schlagzeilenträchtigen Ankündigungen hat Habeck aber bisher nichts gegen die sich verschlimmernde Lage ausgerichtet. Auf das versprochene Gas aus Katar etwa warten wir immer noch. Die Liberalen und vor allem die SPD waren in den letzten Jahrzehnten an einigen Regierungen beteiligt, sie können CDU und CSU nur bedingt die Schuld in die Schuhe schieben.

    Aber gegenseitige Schuldzuweisungen bringen gerade ohnehin niemanden weiter. Jetzt sind Regierung und Opposition aufgefordert, in einer gemeinsamen Kraftanstrengung Lösungen und eine echte Perspektive zu entwickeln. Denn so ernst war die wirtschaftliche Lage noch nie, nicht einmal während der Corona-Pandemie.

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