Der Weg Großbritanniens aus der EU war lang. Seit über drei Jahren ist das Königreich nun nicht mehr Mitglied der Europäischen Union. Doch „erledigt“, wie einst von Ex-Premierminister Boris Johnson versprochen, war der Brexit damit noch lange nicht. Insbesondere die Streitigkeiten um das Nordirland-Protokoll lähmten die Beziehungen zwischen London und Brüssel. Im Zuge des Brexit-Vertrags wurde die Zollgrenze zwischen Nordirland und Großbritannien in die Irische See verlegt, um sichtbare Kontrollen zu verhindern und den Frieden in der Region zu sichern.
Rishi Sunaks Bemühungen könnten für Planungssicherheit sorgen
Johnson hatte den Vertrag mit der EU im Jahr 2019 zwar ausgehandelt und unterschrieben, verschob die vollständige Einführung des Protokolls jedoch immer wieder. Dass sein Nach-Nachfolger Rishi Sunak endlich einen Kompromiss finden will, zeigt, dass es doch noch Politiker in der konservativen Partei gibt, die Dinge so sehen, wie sie sind, und nicht so, wie sie sie vielleicht gerne hätten. Denn ganz gleich wie die Details des überarbeiteten Deals aussehen, eins ist jetzt schon sicher: Für die Menschen und Unternehmen in dem nördlichen Landesteil des Vereinigten Königreiches würde es bedeuten, dass sie endliche Planungssicherheit hätten. Sie wüssten, welche Regeln gelten und könnten sich darauf einstellen – eine wichtige Voraussetzung für Wachstum und auch für Stabilität in der ehemaligen Bürgerkriegsregion, in welcher der Konflikt zwischen katholischen Nationalisten und protestantischen Unionisten nach wie vor die Gesellschaft prägt.
Aber auch für den Rest des Königreiches könnte es den Anfang besserer Zeiten bedeuten. Schließlich konnte die britische Wirtschaft zuletzt nur knapp eine Rezession vermeiden. Das liegt natürlich auch an den Folgen der Pandemie und den Auswirkungen des Angriffs Russlands auf die Ukraine, der Brexit verschlimmert die Lage auf der Insel jedoch. Der Handel wurde durch die komplizierte Bürokratie und die unsichere Rechtslage erschwert, das Wachstum verlangsamte sich. Daran gibt es keinen Zweifel mehr. In der Folge räumen mittlerweile auch einst überzeugte Verfechter des EU-Ausstiegs ein, dass eine engere Zusammenarbeit mit der Union sinnvoll wäre.
Britinnen und Briten sprechen sich für Annäherung an die EU aus
Immer mehr Briten sprechen sich für eine erneute Annäherung aus. Schien dies vor einigen Wochen noch völlig unvorstellbar, dreht sich nun womöglich der Wind. Ist der Streit um das Nordirland-Protokoll einmal beigelegt, könnten auch viele weitere Probleme diskutiert und langfristig ebenfalls aus der Welt geschafft werden. Darunter etwa der ins Stocken geratene Import von Lebensmitteln aus der EU nach Großbritannien, der neben den schlechten Wetterbedingungen aktuell dafür sorgt, dass Gurken, Tomaten und weiteres Gemüse auf der Insel in Supermärkten rationiert werden müssen. Der Streit um das Nordirland-Protokoll ist vergleichbar mit einem störenden Pfropfen, der sich jetzt endlich lösen könnte, lösen sollte, um die Zusammenarbeit mit der EU wieder in Gang zu bringen. Für die Menschen im Vereinigten Königreich wäre es in jedem Fall das Beste.