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Kommentar: Scholz zaudert – aber der Ukrainekrieg ist nicht mit dem Irakkrieg vergleichbar

Kommentar

Scholz zaudert – aber der Ukrainekrieg ist nicht mit dem Irakkrieg vergleichbar

Peter Müller
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    Kanzler Olaf Scholz will keine Taurus-Raketen an die Ukraine liefern.
    Kanzler Olaf Scholz will keine Taurus-Raketen an die Ukraine liefern. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Nein, niemand sollte jetzt über Putins Stöckchen springen und den Kanzler vorschnell bezichtigen, die Unwahrheit gesagt zu haben. Sicher, nach der Veröffentlichung einer von den Russen abgehörten und offensichtlich authentischen Unterhaltung mehrerer hochrangiger Bundeswehr-Militärs sieht es so aus, als habe der Kanzler die Faktenlage nicht ganz richtig beschrieben, als er vergangene Woche behauptete, er wolle den Marschflugkörper Taurus deshalb nicht in die Ukraine schicken, weil Soldaten der Bundeswehr zu dessen Bedienung unabdingbar seien. Doch hinter Scholz´ Worten können auch ganz andere Erwägungen stecken, zum Beispiel die, dass der Kanzler der Zusage der

    Man braucht Putins Propaganda-Coup aber auch gar nicht zu bemühen, um festzustellen, dass die jüngsten Tage schlimme Tage für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik waren. Denn der Kanzler irrlichtert nicht nur bei der Taurus-Frage. Nein, seine Partei, die SPD, scheint nun auch noch Gefallen daran gefunden zu haben, den offenen Widerspruch mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, ob man Bodentruppen in die Ukraine schicken solle, dazu zu nutzen, Olaf Scholz als eine Art Friedensfürsten in Szene zu setzen: Als Kanzler, der die Angst vor einem Krieg mit Russland ernst nimmt und entsprechend bedächtig handelt, als neuen Gerhard Schröder also, der 2002 der von den USA angeführten Koalition der Willigen im zweiten Golfkrieg aus guten Gründen fernblieb – und wohl auch aus diesem Grund die anstehende Bundestagswahl noch einmal knapp gewann. 

    2024 geht es darum, ein Land vor der Vernichtung zu bewahren

    Doch die Ukraine im Jahr 2024 ist nicht der Irak 2002. Heute geht es nicht um die Unterstützung einer völkerrechtlich fragwürdigen Invasion unter dem windigen Deckmäntelchen, einem skrupellosen Diktator Massenvernichtungswaffen zu entreißen. Heute geht es um lebenswichtige Unterstützung für ein Land, das Putin von der Landkarte wischen will, ein Land, das auch unsere Sicherheit verteidigt. Die Verzweiflung mancher Sozialdemokraten muss ganz schön groß sein, wenn sie mit der Anspielung auf Schröders richtige Entscheidung 2002 und 2003 jetzt aus Scholzens bestenfalls undurchsichtiges Lavieren zwanzig Jahre später ein paar Prozentpunkte für ihre gerupfte Partei herausquetschen wollen.

    Um es klar zu sagen: Das soll kein Plädoyer dafür sein, über die Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine nachzudenken. Anders als Macron stellt diese Forderung in Deutschland auch niemand auf. Wenn Scholz aber nun so tut, als würde er das, was hier niemand will, verhindern, dann bedient er ein altbekanntes Spielmuster des Populismus. Und das ist der Lage nun wirklich nicht angemessen.

    Nötig wären mehr Unterstützung aus Frankreich und klare Worte von Scholz

    Was es jetzt braucht, gerade weil die USA als Hilfe für die Ukraine erst mal auszufallen scheinen, ist ein Schulterschluss der Europäer und kein vorzeitiger Aufgalopp in den Wahlkampf. Deutschland und Frankreich müssen gemeinsam die Unterstützung für die Ukraine – finanziell, aber auch militärisch – auf sichere Beine stellen. Dazu bräuchte es freilich einen französischen Präsidenten, der sich weniger auf das Produzieren von Schlagzeilen kapriziert, sondern verlässlich Hilfe bereitstellt (im Vergleich zu Deutschland fällt die französische Unterstützung der Ukraine eher überschaubar aus). Und, ja, es bräuchte – endlich – einen Bundeskanzler, der einmal klar sagt, was er wirklich meint, und wie er sich die weitere Unterstützung für die kriegsgeplagte Ukraine langfristig realistisch vorstellt.

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