Markus Söder hat es wieder getan, hat also seine Position von gerade noch gestern (Jeder darf in Bayern essen, sprechen, was und wie er will) über den Haufen geworfen und in Art eines politischen Vierfach-Axels, wie nur der sprunghafte Ministerpräsident ihn so glatt beherrscht, ein Gender-Verbot für die Schulen und Amtsstuben im Freistaat angekündigt. Seither ist die Aufregung groß – und das Kalkül dahinter klar.
Denn was sich wie eine weitere Volte gegen den vermeintlich links-grünen Zeitgeist lesen lässt, richtet sich in Wahrheit in die andere Richtung: Söder will seinem Vize Hubert Aiwanger, der im Wahlkampf immer noch eine deutliche Spur populistischer auftrat („Gender-Gaga“), endlich den Schlitten wegnehmen, auf dass der Freie Wähler-Chef ihm damit nicht mehr vor der Nase herumfahre. Und natürlich geht das Ganze auch an die AfD, die aus dem Thema seit Jahren politischen Honig saugt, wobei sich die Argumentationen der Gender-Gegner ähneln, zum Beispiel das stets mantrahaft hervorgebrachte „Es gibt doch wirklich Wichtigeres in diesem Land!“ Fürwahr, möchte man sagen, so ist es – aber warum redet ihr dann dauernd davon? Wenn es doch so viel mehr Bedeutsameres zu bereden gäbe als ein Sternderl in dunkler Zeit oder ein Schnitzel, das zur Erwärmung des Gemüts ja nach wie vor auf die Semmel kommt?
Nein, es ist die alte, populistische Methode, erst einen Popanz aufzubauen, um dann umso vehementer dagegen polemisieren zu können, wie sich auch bei anderen Themen zeigt. Und es zeigt sich, dass diese Methode aufgeht, nicht nur in Bayern, nicht nur in Deutschland.
Ob das freilich auch für Markus Söder gilt, ist unklar, schließlich ist er mit der Strategie, die Positionen des politischen Gegners quasi zu umarmen, schon mehr als einmal ausgerutscht. Und vor allem, viel wichtiger: Es wirkt auf Dauer zersetzend. Was allerdings auch umgekehrt zutrifft, denn eigentlich brauchen wir keine Verbote, keine zusätzlichen Regeln, wir haben schon welche: die der deutschen Rechtschreibung nämlich. Und dass diese in Rathäusern und vor allem Schulen einheitlich gelten sollten, ist eine Binse, stattdessen gibt es aber deutschlandweit und auch von Kommune zu Kommune einen Flickenteppich. Dem mögen hehre Absichten zugrunde liegen oder manchmal auch nur das Bemühen, als besonders progressiv zu gelten. Dass jeder schreibt, wie er will, kann die Lösung aber kaum sein – und öffnet ja gerade eben den Raum für die Kulturkämpfer aller Art.
Gendern: Im offiziellen Gebrauch sollte der Duden gelten
Sicher, Sprache, so ein Argument, kann Bewusstsein schaffen. Gerade sich als links definierende Aktivisten sollten allerdings ebenfalls wissen, also falls sie ihren Marx noch gelesen haben, dass es vor allem auf das Sein ankommt. Und sicher, noch so ein Argument, hey, Digga, Söda: Sprache entwickelt sich. Über diese Entwicklung und was von dieser in den offiziellen Sprachgebrauch aufgenommen werden soll, befindet aber der Rat für deutsche Rechtschreibung, der in Sachen Gendern bislang zugegeben erstmal weiterbrütet. Das mag mancher, der das generische Maskulinum für eine perfide Masche des Patriarchats hält, bedauerlich finden – privat darf es aber ja nach wie vor schreiben, sprechen, wie er mag. Und natürlich darf man dafür werben, dass sich die Mehrheitsverhältnisse in dieser Frage dereinst ändern. Aber lasst uns bis dahin wenigstens auf den Duden verständigen, wenigstens das. Und Schluss machen mit dem Kulturkampf-Gaga, von dem nur die Falschen profitieren.