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Kommentar: Reichsbürger und Klima-Kleber gehören nicht in einen Topf, Herr Merz!

Kommentar

Reichsbürger und Klima-Kleber gehören nicht in einen Topf, Herr Merz!

Michael Stifter
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    Friedrich Merz hat Position bezogen. Zu den Reichsbürgern und den Klima-Klebern.
    Friedrich Merz hat Position bezogen. Zu den Reichsbürgern und den Klima-Klebern. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Friedrich Merz hat lange gebraucht, um sich zu den bundesweiten Razzien gegen ein Reichsbürger-Netzwerk und dessen Umsturz-Fantasien zu positionieren. Nun kann man dem CDU-Chef zugutehalten, er habe sich erst ein fundiertes Bild über die Dimension und die Hintergründe der Gruppierung machen wollen. Sollte er das getan haben, wirkt seine Reaktion allerdings in doppelter Hinsicht umso befremdlicher. 

    Denn obwohl inzwischen klar ist, dass dieses Terrornetzwerk Geld und Waffen gehortet und konkrete Pläne zum Sturm auf den Bundestag geschmiedet hat, sagt Merz lapidar, die Reichsbürger seien keine „ernsthafte Gefahr für unsere Demokratie“. Also: Eine zweifellos gewaltbereite Truppe mit hunderten Unterstützen aus allen Teilen der Gesellschaft, die das bestehende demokratische System umstürzen will, ist keine Gefahr für dieses demokratische System? 

    Will Friedrich Merz bestimmte Wähler nicht vor den Kopf stoßen?

    Das ist schon eine recht eigenwillige Interpretation der Dinge, die man womöglich damit erklären kann, dass der CDU-Chef eine mögliche Wählerklientel nicht vor den Kopf stoßen wollte, die in Reichsbürgern und Verschwörungsideologen allenfalls ein paar verirrte Spinner sieht. Die Zeiten, in denen man die ständig wachsende Szene mit einem abschätzigen Lächeln abtun konnte, sind allerdings spätestens vorbei, seit deren Gedankengut mit der Wut über die Corona-Politik in die Gesellschaft und durch die AfD sogar in die Parlamente hinein gesickert ist. 

    Friedrich Merz hat das rigorose Vorgehen der Sicherheitsbehörden gegen das Reichsbürger-Netzwerk, das einen Putsch geplant hatte, um einen alten Prinzen aus Hessen zum neuen Staatsoberhaupt zu machen, zwar begrüßt. Dass er die Putsch-Fantasien der militanten Gruppe, die schon nach Kasernen für eine eigene Armee Ausschau gehalten hatte, trotzdem nicht besonders ernst nimmt, legt eine zweite Aussage des CDU-Vorsitzenden nahe. 

    Das Motto: Rechtsradikale sind schlimm, aber was ist mit Linksradikalen?

    Beinahe im selben Atemzug lobte er die „Hausdurchsuchungen gegen sogenannte Klimaaktivisten, die sich ständig auf Straßen oder Flughäfen festgeklebt haben“ und fügte hinzu: „Auch das sind schwere Straftaten, auch hier muss der Rechtsstaat Zähne zeigen.“ Damit hat er noch lange nicht das eine mit dem anderen gleichgesetzt, wie ihm manche nun unterstellen. Aber es war ganz sicher keine Panne, sondern bewusstes Kalkül, dass er die beiden Themen in Zusammenhang brachte. Nach dem Motto: Schlimm, was die Rechtsradikalen da machen, aber was ist eigentlich mit den Linksextremisten? 

    In der politischen Kommunikation nennt man das „Whataboutismus“. Ein bewusstes Manöver, das beispielsweise auch gerne von Putin-Verstehern angewandt wird. Wenn es um den russischen Angriff auf die Ukraine geht, antworten sie: Aber wer hat denn damals die Atombombe auf Hiroshima geworfen, das waren doch die Amerikaner? Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, aber es hilft, um vom eigentlichen Thema abzulenken. 

    Dass Merz unterschwellig die Debatte um Reichsbürger, die unsere Demokratie abschaffen wollen, mit dem Umgang mit Straßenblockierern verbunden hat, die für Klimaschutz kämpfen, ist ein Fehler. Selbstverständlich müssen auch die „Klima-Kleber“ zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie Straftaten begehen und zur Gefahr für andere werden. Und auch bei Teilen der „Letzten Generation“ ist ein beunruhigender Hass auf den Staat oder „das System“ zu spüren. Und nur weil sie sich im Recht fühlen, heißt das noch lange nicht, dass sie Recht brechen dürfen. Es ist auch absolut legitim, dass der CDU-Chef das anspricht. Trotzdem sollten sie nicht in einen Topf mit einem Terrornetzwerk geworfen werden, das gewaltsame Unruhen entfachen und die politische Ordnung umstürzen wollte.

    Friedrich Merz sollte seinen Blick lieber auf die AfD richten

    Merz hat beim Amtsantritt eine Brandmauer gegen Rechts versprochen. Wenn er das ernst gemeint hat, sollte er sich in diesen Tagen lieber mit der Verstrickung der AfD ins Reichsbürger-Milieu und der klaren Linie seiner eigenen Partei zu den Rechtspopulisten beschäftigen, die auf kommunaler und Landesebene teilweise zu verschwimmen beginnt.

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