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Kommentar: Raketen auf Polen: Die Nato behält einen kühlen Kopf

Kommentar

Raketen auf Polen: Die Nato behält einen kühlen Kopf

Simon Kaminski
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    Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte am Mittwochnachmittag, dass es keinerlei Hinweise auf einen gezielten Angriff gebe. Weitere Untersuchungen stehen noch aus.
    Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte am Mittwochnachmittag, dass es keinerlei Hinweise auf einen gezielten Angriff gebe. Weitere Untersuchungen stehen noch aus. Foto: Roberto Monaldo/LaPresse/AP, dpa

    Das Bild hatte Symbolkraft: der russische Außenminister in T-Shirt und kurzen Hosen vor seinem Hotelzimmer auf Bali – der diplomatische Advokat des kriminellen Angriffskriegs in der Pose des arglosen Pauschaltouristen. Fast ganz ohne Hosen stand die russische Delegation nach dem G20-Gipfel da – sie musste ein Gipfelkommuniqué schlucken, das die zunehmende Isolation Moskaus auf der Weltbühne dokumentierte: Eine klare Mehrheit der Staats- und Regierungschefs hatte am Dienstag die Verurteilung des russischen Krieges in der Ukraine und eine Absage an den Einsatz von Atomwaffen beschlossen.

    Die Reaktion Russlands auf diese Demütigung weckt kaum Hoffnungen auf eine absehbare Verhandlungslösung: Die russischen Streitkräfte eskalierten den Konflikt mit einem beispiellosen Raketenhagel auf Ziele in der ganzen Ukraine. Auch wenn die Luftabwehr das Gros der heranfliegenden Sprengkörper abschießen konnte, sind die Schäden an der ohnehin schon schwer angeschlagenen Infrastruktur in vielen ukrainischen Städten beträchtlich. Als die Meldung von dem Großangriff um die Welt ging, war Lawrow bereits abgereist. Zufall war das natürlich nicht.

    Erst müssen die Hintergründe des Vorfalls untersucht werden

    Am späten Dienstagabend kam die Meldung, die der Welt drastisch vor Augen führte, welche Gefahren der Kreml mit seinem Angriffskrieg heraufbeschworen hat. Zwei Raketen waren in einem polnischen Dorf im Grenzgebiet zur Ukraine eingeschlagen. Zwei Menschen starben. Polen ist Teil der Nato. Im Falle eines gezielten Angriffs auf ein Staatenlenker zu einer Dringlichkeitssitzung. Erst genau untersuchen, wie es zu dem tragischen Vorfall in Polen kam, dann handeln – so der Tenor.

    Tatsächlich verdichteten sich am Mittwoch die Hinweise darauf, dass es fehlgeleitete ukrainische Abwehrraketen waren, die in Polen einschlugen. Der US-amerikanische Präsident äußerte diese Vermutung ganz direkt, während der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba in einem Telefonat mit seinem US-Kollegen Antony Blinken bereits in der Nacht auf Mittwoch eine harte Reaktion gegen russischen „Raketenterror“ forderte.

    Dass dieser Terror seit Monaten an der Tagesordnung ist und mit brutaler Intensität am Mittwoch zu beobachten war, ist unstrittig. Dennoch sollte sich Kiew hüten, den Feind vorschnell und ohne gründliche Prüfung für die Explosionen im Nachbarland Polen verantwortlich zu machen. Es ist der Kreml, der die Strategie verfolgt, seine Verbrechen mit hanebüchenen Verschwörungstheorien zu leugnen – Erfolg hat Moskau damit nur noch bei den verblendetsten Putin-Verstehern.

    Kiew darf sich nicht in Propaganda verstricken

    Nur Moskau profitiert davon, wenn der Westen den Einschlag in Polen völlig anders bewertet als Kiew. Ein solcher Dissens wäre geeignet, den Willen zur Unterstützung der Ukraine zu schwächen. Das wäre fatal. Denn Kiew benötigt weiter dringend Waffenlieferungen, insbesondere für die Luftabwehr. Das Land braucht westliche Investitionen in die stark beschädigte Infrastruktur, damit die Ukrainerinnen und Ukrainer den nahenden Winter überstehen.

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