Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Kommentar: Radikalität wird Normalfall: Wer stoppt die AfD? 

Kommentar

Radikalität wird Normalfall: Wer stoppt die AfD? 

Stefan Lange
    • |
    Fähnchen mit dem Logo der AfD.
    Fähnchen mit dem Logo der AfD. Foto: Daniel Karmann, dpa

    Es ist ein Rekord, der nicht zum Jubeln einlädt. Die Alternative für Deutschland erzielt in den Umfragen derzeit Spitzenwerte, wie sie die Meinungsforschungsinstitute zuletzt vor fünf Jahren ermittelten. In ZDF-Politbarometer der Forschungsgruppe Wahlen erreichte die AfD 17 Prozent, bei Insa liegt sie gar noch einen Prozentpunkt besser. Die Partei bewegt sich damit auf Schlagweite zur SPD. Grüne und FDP hat sie überholt. Wenn sich der Trend der letzten Monate verstetigt, ist die AfD in den Umfragen bald zweitstärkste Kraft hinter der Union.

    Die AfD war einst eine laute Partei, die mit öffentlichem Krawall um Aufmerksamkeit buhlte. Inzwischen hat sich die Taktik geändert. Ihre Abgeordneten nutzen zur Verbreitung ihrer Ansichten gezielt die sogenannten sozialen Medien sowie Publikationen am rechten Rand des Meinungsspektrums. Die Partei wendet sich so direkt an ihre Zielgruppe. Redebeiträge im Bundestag werden mit Absicht prägnant verkürzt, damit sie auf Youtube schnell zu konsumieren sind, inhaltlich haben sie mit der Tagesordnung oft gar nichts zu tun. Wenn etwa über Flüchtlinge debattiert wird, erinnern AfD-Parlamentarier an Straftaten mit angeblicher Beteiligung von Migranten, sprechen den Angehörigen scheinheilig ihr Beileid aus. Das ist in Watte verpackte Hetze, die längst den Verfassungsschutz auf den Plan gerufen hat.

    AfD dreht "nach rechts außen"

    "Der Kurs dort steht nach rechts außen", fasste kürzlich Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang den Stand der Beobachtungen durch seine Behörde zusammen und deutete an, dass sich der Status der Partei ändern könnte. Derzeit gilt sie als "Verdachtsfall", die nächste Stufe wäre "gesichert rechtsextremistisch". Für die AfD-Jugendorganisation "Junge Alternative" (JA) gilt das bereits. Der Verfassungsschutz nennt sie "Brandstifter und Stichwortgeber von Hass, Hetze und Extremismus".

    Die gleichwohl hohen Umfrageergebnisse wertet AfD-Chef Tino Chrupalla als Bestätigung des Parteikurses. "Ob Frieden oder Energie, Arbeit oder Migration – unsere interessengeleitete Politik kommt gut beim Bürger an", erklärte er und ergänzte: "Daran kann keine Kampagne gegen uns etwas ändern." Auch das ist übrigens AfD-Taktik: Selbst wenn niemand über sie berichtet, geriert sich die Partei als Opfer von Medien und anderen Parteien und sucht so den Schulterschluss mit jenen, die sich von der Presse ohnehin die ganze Zeit belogen fühlen.

    "Negative Sonntagsfrage" pro AfD

    Die regierenden Parteien machen es der AfD leicht, der Streit um den Heizungstausch ist ein gutes Beispiel. SPD, Grüne und FDP bekommen es seit Wochen nicht hin, ihr Tun und die Folgen für Hausbesitzer zu erklären. In dieses Kommunikationsvakuum stößt die AfD vor, spricht von "Chaos-Tagen" bei der Ampel, vom "Heizungshammer" und schlussfolgert, Deutschland sei weltweit das einzige Land, "welches die Interessen seiner Bürger ohne Wenn und Aber dem vermeintlichen Klimaschutz unterordnet". Wer gerade um sein Eigenheim fürchtet, könnte sich davon durchaus angesprochen fühlen. Angst und Verunsicherung sind groß, die Ampel tut nicht genug, um Vertrauen herzustellen und der AfD damit den Nährboden zu entziehen. 

    Wenn die Regierungskoalition nicht aktiv wird, ihre Politik jeden Tag aufs Neue erklärt und sich Mühe gibt, wird die AfD weiter zulegen. Laut einer Umfrage des Instituts Insa für die Bild-Zeitung ist der Anteil derer, die niemals AfD wählen wollen, über die Jahre deutlich zurückgegangen. Lag er Ende 2020 noch bei 75 Prozent, so scheut aktuell nur noch jeder und jede Zweite davor zurück. Das Ergebnis dieser "negativen Sonntagsfrage" lässt den Schluss zu, dass die AfD mit weiteren fünf bis acht Prozentpunkten rechnen könnte, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre. Sie läge dann beinahe gleichauf mit CDU und CSU. 

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden