Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Kommentar: Putins Unberechenbarkeit wiegt schwerer als schwere Panzer

Kommentar

Putins Unberechenbarkeit wiegt schwerer als schwere Panzer

Stefan Lange
    • |
    Deutschland will den ukrainischen Streitkräften den Schützenpanzer Marder liefern, der vor mehr als 50 Jahren für die Bundeswehr entwickelt wurde.
    Deutschland will den ukrainischen Streitkräften den Schützenpanzer Marder liefern, der vor mehr als 50 Jahren für die Bundeswehr entwickelt wurde. Foto: Julian Stratenschulte, dpa

    Die Liste von Kriegsgerät aus Deutschland für die Ukraine ist bereits sehr lang: Sie umfasst Raketenwerfer, Panzerfäuste, Feldlazarette, Millionen Schuss Munition und einiges mehr. Demnächst kommen Schützenpanzer vom Typ Marder hinzu. Knapp elf Monate nach dem Einmarsch der Russen wird damit eine neue Stufe bei den Waffenlieferungen erreicht und die bange Frage ist, ob Deutschland dem Status „Kriegspartei“ damit ein Stück näherkommt.

    Seitens der Bundesregierung wird sie mit Nein beantwortet. Auswärtiges Amt, Verteidigungsministerium und Kanzleramt sind übereinstimmend der Auffassung, dass dieses Land durch die Waffenlieferungen „keine Kriegspartei wird“. Sie stützen sich unter anderem auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, das wiederum auf internationale juristische Einschätzungen zurückgreift: „Die militärische Unterstützung einer Konfliktpartei in Form von Waffenlieferungen – und zwar unabhängig von deren Art und Umfang – überschreitet nicht die Grenze zur Konfliktteilnahme“, heißt es da.

    Panzerlieferung an die Ukraine findet in Deutschland keine Mehrheit

    Die Ampel-Koalition räumt aber auch ein, dass es neben Recht und Gesetz eine „subjektive Wahrnehmung“ dieser Lieferungen gibt. Mit der Größe der Panzer wächst die Angst vor den Folgen. Hierzulande findet sich laut ARD-Deutschlandtrend – der vor der Nachricht über die Marder-Panzer erhoben wurde – dafür keine Mehrheit. Nur ein Viertel ist demnach der Ansicht, dass die Unterstützung der Ukraine mit Waffen nicht weit genug geht. 41 Prozent der Befragten halten die bisherige militärische Unterstützung für angemessen, für 26 Prozent geht sie zu weit.

    Diese Skepsis ist, auch wenn die Ampel das gerne hätte, nicht nur subjektiv. In der Regierung selbst gab es nach Ausbruch des Krieges beim Thema Waffenlieferungen massive Vorbehalte. Diese bröckelten nach und nach, erst wurden Helme geliefert, dann Stinger-Raketen, dann Gepard-Panzer. Nun fragen sich viele im Land zu Recht, ob als nächstes entgegen allen bisherigen Beteuerungen doch schwere Leopard-II-Kampfpanzer gegen russische Soldaten in Stellung gebracht werden.

    Ist die Lieferung von Marder-Panzern juristisch sauber? Putin ist das egal

    Selbst wenn die Lieferung schwerer Geschütze sowie die damit verbundene Ausbildung ukrainischer Soldaten auf deutschem Boden juristisch sauber sein sollten, gibt es eine „subjektive Wahrnehmung“ auch beim russischen Präsidenten. Wladimir Putin schert sich einen Kehricht ums Völkerrecht, um Paragrafen und die Chartas der Vereinten Nationen. Wenn er den roten Knopf drücken und ganz Europa in den Krieg ziehen will, dann werden ihn Vernunftgründe nicht davon abhalten.

    Dass er es noch nicht getan hat und Deutschland keine Kriegspartei ist, liegt am Auftreten der EU-Staaten und der Nato insgesamt. Nachdem zunächst argwöhnisch geschaut wurde, wer was liefert – und vor allem, wer nicht – haben sich die Linien weitgehend geschlossen. Frankreich meldete zwar vor den Deutschen und ihren Mardern die Lieferung von Spähpanzern an, doch im Gegensatz zu früheren diplomatischen Eskapaden des Elysée-Palastes wusste Berlin diesmal Bescheid.

    EU tritt gegenüber Putin geschlossen auf – Raum für Gespräche muss bleiben

    Sämtliche beteiligte Regierungen tauschen sich regelmäßig aus, das Signal an Putin ist klar und geht in seiner Deutlichkeit über die rechtlichen Verpflichtungen des Nordatlantikvertrages hinaus: Wir alle verurteilen, was du da tust, lass' es endlich sein.

    Die Herausforderung ist es nun, aus diesem Zusammenschluss keine Front werden zu lassen, die Putin an die Wand drückt und ihn Amok laufen lässt. Dazu gehört es beispielsweise, Gesprächskanäle offen zu lassen und mit Putin zu telefonieren, wie es Kanzler Olaf Scholz tut. Bisher ist das zum Glück ganz gut gelungen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden