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Kommentar: Peking, nicht Pelosi, heizt den Taiwan-Konflikt aggressiv an

Kommentar

Peking, nicht Pelosi, heizt den Taiwan-Konflikt aggressiv an

Simon Kaminski
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    Menschen gehen in Taipeh an einem Plakat vorbei, das die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, willkommen heißt. Taiwan setzt traditionell auf die Unterstützung Washingtons.
    Menschen gehen in Taipeh an einem Plakat vorbei, das die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, willkommen heißt. Taiwan setzt traditionell auf die Unterstützung Washingtons. Foto: Chiang Ying-ying, AP/dpa

    Gar nicht freudestrahlend, sondern unsicher und angespannt wirkte Nancy Pelosi bei ihrer Ankunft in Taipeh. Der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses dürfte klar gewesen sein, dass ihr Taiwan-Besuch in Peking einen Sturm der Entrüstung und nur schwer kalkulierbare Reaktionen auslösen würde. Tatsächlich starteten am Donnerstag bedrohliche Manöver rund um die Insel. Befürchtet wird, dass sie eine Blockade zur Folge haben könnten. Sogar über Kriegsgefahr wird spekuliert .

    Angesichts vieler Reaktionen auch aus dem Westen, könnte man fast meinen, dass Pelosi in dieser Geschichte der eigentliche Aggressor ist. Viele werfen ihr ein völlig falsches Timing vor. Dafür gibt es Argumente: Der Ukraine-Krieg hält die Welt in Atem. Der chinesische Diktator Xi Jinping kann sich angesichts seiner bei vielen Landsleuten umstrittenen knallharten Corona-Politik einen Gesichtsverlust gerade kaum leisten. Außerdem schadet Pelosi ihrem Präsidenten und Parteifreund Joe Biden, der ihr von dem Zwischenstopp abgeraten hatte.

    Gibt es überhaupt einen guten Zeitpunkt für eine solche Reise nach Taiwan?

    Andererseits – gibt es für einen solchen Besuch einen guten Zeitpunkt? Aus Sicht Pekings natürlich nicht. Pelosi wird vorgeworfen, dass sie die traditionell hochprekäre Balance zwischen China und Taiwan in Gefahr bringe. Dabei wird unterschlagen, dass es Xi Jinping ist, der immer aggressiver und konkreter mit einer militärischen „Wiedervereinigung“ droht, obwohl nicht wiedervereint werden kann, was nicht vereint war – Taiwan war nie Teil der Volksrepublik China. Es ist Peking, das den Status quo mit einer perfiden Zermürbungstaktik aushöhlt. Da geht es nicht nur um ständige Luftraumverletzung und rhetorische Amokläufe gegen die stabile Demokratie vor der Südküste. Systematisch und immer übergriffiger werden Staaten, die die Beziehungen zu Taipeh intensivieren, eingeschüchtert. Handelt so eine Regierung, die ein Interesse daran hat, eine Balance zu bewahren?

    In Wahrheit hat sich Xi Jinping in den letzten Jahren noch tiefer in eine gefährliche Sackgasse manövriert. Peking heizt den Nationalismus derart an, dass viele Chinesen und Chinesinnen förmlich in Raserei geraten, wenn es um den Inselstaat geht. Nun muss der Diktator fürchten, dass jedes Zurückweichen, ja schon kleinste Zugeständnisse, als Schwäche ausgelegt werden könnte.

    Bei der Neujahrsansprache macht der chinesische Machthaber Xi Jinping ein freundliches Gesicht. In dem Konflikt um Taiwan präsentiert er seine aggressive Seite.
    Bei der Neujahrsansprache macht der chinesische Machthaber Xi Jinping ein freundliches Gesicht. In dem Konflikt um Taiwan präsentiert er seine aggressive Seite. Foto: Ju Peng, dpa

    Mit ihrem Besuch hat Pelosi immerhin dafür gesorgt, dass sich die aufgeschreckte Welt wieder intensiv mit der Situation im chinesischen Meer beschäftigt. Einfach zuzuschauen, wie der Riese China die kleine Insel mit 23 Millionen Menschen langsam stranguliert oder tatsächlich angreift, darf keine Alternative sein. Endlich scheinen mehr westliche Regierungen zu begreifen, dass das China auch deutlich gesagt werden muss.

    Die weltweiten Reaktionen dürften Xi Jinping klar vor Augen geführt haben, was sein Land – die größte Exportnation der Welt – riskiert. Rein militärisch ist die Besetzung einer Insel, die über moderne Streitkräfte verfügt, sogar für China eine gewaltige Herausforderung. Zu erwartende Sanktionen wären schmerzhaft, die Reputation Pekings würde weiteren schweren Schaden nehmen.

    Vor wenigen Jahrzehnten noch gab es viele Taiwanerinnen und Taiwaner, die sich ein Zusammengehen mit der Volksrepublik durchaus vorstellen konnten. Heute hat sich das Blatt gewendet. Die große Mehrheit will nicht Teil eines Staates sein, in dem es totale Überwachung statt Meinungsfreiheit gibt, in dem Uiguren oder Tibeter brutal unterdrückt werden.

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