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Kommentar: Patienten dürfen nicht Verlierer der Klinikreform werden

Kommentar

Patienten dürfen nicht Verlierer der Klinikreform werden

Michael Pohl
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    Das deutsche Krankenhauswesen ächzt unter Geld- und Personalmangel.
    Das deutsche Krankenhauswesen ächzt unter Geld- und Personalmangel. Foto: Christian Charisius, dpa

    In keinem anderen Bundesland gibt es mehr Krankenhäuser als in Bayern. Exakt 351 waren es im vergangenen Jahr, gut ein Dutzend mehr als in Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsreichsten Bundesland. Über hundert mehr als in Baden-Württemberg. Doch deshalb stellt die Krankenhausreform den Freistaat vor besondere Herausforderungen

    Versorgungssicherheit ist in vielen Regionen eine Überlebensfrage

    Die viel zitierte Versorgungssicherheit erreichbarer Krankenhäuser kann für sehr viele Menschen in ländlichen Regionen schnell zur Überlebensfrage werden. Das von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach an die Wand gemalte Krankenhaussterben von bis zu einem Viertel aller Kliniken könnte in vielen Regionen abseits der Großstädte gefährliche Lücken schlagen. Verlierer der Reform wären die Patientinnen und Patienten. Kein Wunder, dass Bayern die Pläne mit Argwohn betrachtet. 

    Zumal Lauterbachs ursprüngliche Reformpläne nichts anderes als einen harten Verteilungskampf zwischen Unikliniken in Großstädten und kleinen Krankenhäusern bedeutet hätten. Nicht nur ums Geld, das in wirtschaftlich angespannten Zeiten knapper wird. Noch härter ringen die Kliniken inzwischen um das ebenfalls knapp werdende Personal. 

    Bald gehen in Deutschland jedes Jahr doppelt so viele Menschen in Rente, wie von Schulen und Unis ins Arbeitsleben strömen. Diese Entwicklung nimmt das Gesundheitssystem doppelt in die Zange: Auf der einen Seite steht weniger medizinischer Nachwuchs zur Verfügung – vor allem in der Pflege. Auf der anderen Seite steigt die Patientenzahl absehbar, da Krankheiten und Krankenhausaufenthalte im Alter zunehmen. Doch schon jetzt ächzt das Krankenhauswesen unter Geld- und Personalmangel.

    Krankenhausreform korrigiert einen fatalen Fehler

    Eine Ursache dafür liegt in der letzten großen Krankenhausreform, mit der 2003 die Kliniken nicht mehr vorrangig nach belegten Betten, sondern nach Behandlungen mit sogenannten Fallpauschalen bezahlt wurden. Die Folge war, dass viele Kliniken massiv die Zahl der Operationen erhöhten, um über die Runden zu kommen. 

    Gleichzeitig wurden die Liegezeiten so massiv verkürzt, dass das Schlagwort „blutige Entlassung“ die Runde machte. Zahllose Menschen gerieten so unnötig unters Messer. Ein ungenannter Landesgesundheitsminister brachte die Reform zugespitzt auf die böse Formel: Früher hatte man Freiheitsberaubung, heute Körperverletzung. Verlierer der Reform waren schon damals die Patientinnen und Patienten. 

    Klinikreform heizt Verteilungskampf zwischen Stadt und Land an

    Die jetzige Klinikreform versucht diesen fatalen Fehler zu korrigieren. Zu 60 Prozent werden Kliniken künftig ähnlich der Feuerwehr für das „Vorhalten“ ihrer Einsatzmöglichkeiten bezahlt. Ob das reicht, den Druck zu überhöhten Operationszahlen zu lindern, muss sich angesichts der durch die Inflation massiv gestiegenen Geldnot vieler Kliniken erst zeigen. 

    So birgt die Reform das Risiko, dass sie den Verteilungskampf zwischen Stadt und Land anheizt. Lauterbach vermittelt ein Zerrbild angeblich schlechter Versorgung der Kliniken auf dem Land und beschädigt so deren Attraktivität als Arbeitgeber für junge Ärztinnen und Ärzte und verunsichert die Menschen vor Ort. Die Modernisierung und der nötige Umbau der Kliniklandschaft kann aber gerade in der Fläche nur mit der Bevölkerung und nicht gegen sie gelingen.

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