Rund 50 Milliarden Dollar würde es kosten, um die gesamte Weltbevölkerung gegen das Coronavirus zu impfen. Das hat Laurence Boone, Chef-Ökonomin der OECD, vorgerechnet. Ein Schnäppchenpreis. Allein die „Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer“ (G20) hat schließlich 10 Billionen Dollar zur Stabilisierung ihrer Volkswirtschaften ausgegeben.
Nach der Entdeckung der besorgniserregenden Omikron-Virusvariante in Südafrika wird die globale Dimension dieser Pandemie endlich mit Nachdruck diskutiert. Aus Europa, den USA und China kommen seitdem vermehrt Versprechungen an Afrika für neue Impflieferungen. Der Hersteller Moderna hatte dem Kontinent schon vor einigen Wochen Impfdosen für sieben Dollar in Aussicht gestellt – ein Discount gegenüber Preisen, die zuletzt den Industrienationen berechnet worden waren.
Nach der Entdeckung der Omikron-Variante wird Südafrika isoliert
Ein Fortschritt, doch das reicht natürlich nicht. Bisher kann von einer globalen Strategie keine Rede sein. Wenn es um die geringe Impfquote in Afrika ging, derzeit gerade einmal sieben Prozent der Bevölkerung, wirkten und wirken die Maßnahmen der reichen Nationen eher wie Impfdiplomatie. Verzweifelte Versuche, um angesichts des eigenen Hortens von Impfstoffen nicht völlig das Gesicht zu verlieren.
Diese Versuche sind nun endgültig gescheitert. Nur Stunden, nachdem Südafrikas renommierte Virologen die Entdeckung von Omikron vermeldeten, bekam das Land die Quittung: die erneute internationale Isolation. Wie schon vor knapp einem Jahr, als man die gleiche Erfahrung nach der Sequenzierung der Beta-Variante machen musste. Zahlreiche Flüge wurden gestrichen, Südafrikanern wird der Zugang zu Dutzenden Ländern verwehrt. Und den Bürgern sieben anderer Länder des südlichen Afrikas gleich mit. Covid-Forscher befürchten Lieferengpässe.
Diese Entwicklung illustriert den Umgang mit dem Kontinent, wo die Fallzahlen niedriger sind als in den USA, Asien oder Europa, aber die wirtschaftlichen Konsequenzen der Pandemiefolgen umso dramatischer. Man konzentriert sich wie so oft auf die Symptome, nicht auf die Ursache. Der Aufbau eigener Impfproduktionsstätten in Afrika scheitert auch an den Patenten, deren Aufhebung von einigen Industrienationen blockiert wird. Und für Verteilung und Informationskampagnen besonders in ländlichen Gegenden, wo trotz der rasanten Urbanisierung rund die Hälfte der Afrikaner lebt, fehlt es an den nötigen Mitteln.
Die Ampel belässt es bei schönen Schlagworten
Ausgerechnet in dieser Gemengelage hat England die Kürzung der Mittel für Entwicklungshilfe um vier Milliarden Dollar angekündigt. Derartige Pläne sind in Deutschland nicht bekannt, aber Afrika spielt im Koalitionsvertrag eine weitaus geringere Rolle als noch in den Vereinbarungen der GroKo. Dort ist von einer „Partnerschaft auf Augenhöhe“ die Rede, dazu „Frieden, Sicherheit, Wohlstand, nachhaltige Entwicklung“. Ein Schlagwort-Festival.
Dabei wären konkrete Ideen für eine neue Afrika-Politik so dringend erforderlich wie nie. Die Behandlung von HIV-, Tuberkulose- und Malaria-Patienten litt wegen Covid erheblich. Die Staatsverschuldung afrikanischer Länder ist schon vor der Pandemie so stark gestiegen wie seit 50 Jahren nicht mehr – eine kaum zu gewinnende Wette auf möglichst zweistelliges Wirtschaftswachstum.
Die Folge: rasant steigende Inflationsraten, mehr Risiko für politische Unruhen. Eine Abschottung von Afrika ist keine nachhaltige Lösung. Das hat die Flüchtlingskrise gezeigt. Viel mehr fällt der Politik aber auch im Zusammenhang mit Omikron nicht ein.