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Kommentar: Olaf Scholz wirft einen einseitigen Blick auf die Zeitenwende

Kommentar

Olaf Scholz wirft einen einseitigen Blick auf die Zeitenwende

Stefan Lange
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    Bundeskanzler Olaf Scholz spricht in einer Regierungserklärung ein Jahr nach seiner Rede zur "Zeitenwende" zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine.
    Bundeskanzler Olaf Scholz spricht in einer Regierungserklärung ein Jahr nach seiner Rede zur "Zeitenwende" zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Es war eine engagierte, für den sonst eher norddeutsch-nüchtern agierenden Kanzler gar flammende Rede, die Olaf Scholz im Bundestag hielt. Zum Jahrestag der von ihm ausgerufenen "Zeitenwende" erneuerte der SPD-Politiker das Versprechen, die Ukraine weiter zu unterstützen. Das ist ein wichtiges und richtiges Zeichen an die Menschen in dem von Leid geschüttelten Land. Die mit viel Pathos vorgetragene und deshalb manchmal unfreiwillig komisch wirkende Regierungserklärung blickte allerdings zur sehr in eine Richtung. Der Kanzler vergaß, auf die Auswirkungen von einem Jahr "Zeitenwende" auf das eigene Land einzugehen.

    Scholz muss berücksichtigen, wie sich seine Zeitenwende auf Bürgerinnen und Bürger auswirkt

    Scholz betonte zwar mehrfach, Deutschland sei auch ohne russisches Gas durch den Winter gekommen. Dabei aber half vor allem, neben dem Sparwillen von Industrie und Bevölkerung, die milde Witterung. Es hätte auch viel schlimmer kommen können. Doch das ist vor allem ein technischer Aspekt. Ein Regierungschef muss über Gasstände hinaus die Befindlichkeiten seiner Landsleute im Blick haben. 

    Durch den Krieg in der Ukraine laufen die Flüchtlingsunterkünfte in den Städten voll. Das ist einerseits unausweichlich, natürlich müssen die Männer, Frauen und Kinder hier vor den Kriegsgräueln Sicherheit und Unterschlupf finden. Die Unterbringung ist andererseits aber mit Problemen verbunden. Die Kommunen sind am Limit. Vereinzelt müssen Mieterinnen und Mieter aus Häusern ausziehen, um Platz für Geflüchtete zu machen. Die rechte Szene nutzt das für Hetze und radikale Stimmungsmache. Je länger der Ukraine-Krieg dauert, desto mehr Menschen werden kommen. Die Gefahr wächst, dass die Stimmung kippt.

    Scholz beschränkte sich vor allem darauf, vermeintliche Erfolge seiner "Zeitenwende" aufzuzählen. Die Schattenseiten blendete er aus. "Wir schaffen das", hatte Alt-Kanzlerin Angela Merkel einst ausgerufen und damit sowohl Zuversicht wie auch eine gesunde Portion Selbstzweifel ausgedrückt. Es wäre der Stimmung im Land zuträglich gewesen, wenn sich Scholz neben viel Eigenlob einen ähnlich prägnanten Satz hätte einfallen lassen. 

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