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Kommentar: Österreichs Liberale wiederholen die Fehler der FDP

Kommentar

Österreichs Liberale wiederholen die Fehler der FDP

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    Neos-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger vermisste in den Koalitionsgesprächen den notwendigen Reformwillen.
    Neos-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger vermisste in den Koalitionsgesprächen den notwendigen Reformwillen. Foto: Max Slovencik, APA/dpa

    Jetzt ist es also wieder einmal vollbracht. Österreich toppt auch in Sachen Dreier-Variante seinen deutschen Nachbarn, hier platzt die Dreier-Koalition, noch bevor sie überhaupt loslegen konnte. Augenscheinlich sind die Parallelen zum Jahr 2017 in Deutschland, als FDP-Chef Christian Lindner die Verhandlungen für eine „Jamaika“-Koalition nach nur vier Wochen aufgekündigt hatte. „Besser nicht regieren, als falsch regieren“, sagte Lindner damals – zusammengefasst ist es genau das, was Linderns Kollegin, NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger, am Freitagmorgen den Österreicherinnen und Österreichern wortreich erklärte. Die Liberalen wollten den großen Wurf, massive Reformen, dabei keine neuen Steuern und bei den Pensionen sparen. 

    Kompromisse sind in Regierungskoalitionen unausweichlich

    Das mag aus Sicht jener in der Partei, die vor allem wirtschaftsliberale Interessen verfolgen, verständlich sein. Was nun für berechtigte Kritik sorgt: Meinl-Reisingers Partei hat sich damit selbst jeder Chance beraubt, nach langen Jahren auf der Oppositionsbank endlich das tun zu können, wovon sie so lange geredet haben – nämlich mitregieren, gestalten, Reformen vorantreiben. Und dann gibt es noch jene Liberalen bei den NEOS, die sich für ein vereintes Europa, für eine stabile Demokratie und für Menschenrechte starkmachen. Sie können sich angesichts der Möglichkeit, dass die in Teilen rechtsextreme FPÖ nun doch an die Macht kommen könnte, mit der Entscheidung ihrer Parteichefin kaum wohlfühlen. 

    Angesichts der prekären Situation in Österreich von Verantwortung zu sprechen, und sich aber der Notwendigkeit von Kompromissen – und solche sind in jeder Dreier-Variante von Nöten, man frage die gescheiterte „Ampel“ in Deutschland – zu entziehen, ist widersprüchlich. Die Annahme, man könne einer Koalition mit rund neun Prozent der Wählerstimmen den eigenen Stempel aufdrücken, zeugt von regelrechter Realitätsferne.

    Und natürlich blühen am politischen Parkett in Wien und der zugehörigen Medien-Blase die Verschwörungstheorien: Bei den Pensionen (einfrieren und Antrittsalter erhöhen) in Verhandlungen mit einer Pensionisten-Partei wie der SPÖ mit dem Kopf durch die Wand? Hat die liberale Parteichefin, haben ihre Mitstreiter, hier das Drehbuch von Christian Lindner übernommen und es längst auf Krach und ein Verhandlungs-Aus angelegt? 

    Minderheitsregierung? Wie geht es weiter in Österreich?

    Egal, wie man zu den Motivationen der FDP-Schwesterpartei NEOS steht – die Konsequenz ihres Entschlusses ist, wieder mal: Chaos. Eine derart verfahrene und weitestgehend perspektivlose politische Situation hat Österreich seit der Nachkriegszeit nicht erlebt. Noch-Kanzler Karl Nehammer kämpft um sein politisches Überleben, er steht mit dem Rücken zur Wand: Neuwahlen würden der FPÖ von Herbert Kickl noch mehr Gewinne bereiten und die Karten für seine eigene Partei noch weiter verschlechtern. Mit den Grünen anstatt den NEOS in einer Dreier-Variante zu regieren, das will in der ÖVP niemand.

    Bleibt eine de-facto-Minderheitsregierung mit der SPÖ, deren Vorschläge mal die Grünen, mal die Liberalen im Parlament mitbeschließen sollen – das will auch Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Ein solches Projekt aber ist instabil, es würde Nehammers Partei wohl nur einen kleinen Zeitgewinn bringen, etwa, um personelle Weichen zu stellen und Richtungsentscheidungen zu treffen – für die FPÖ würde es allerdings eine noch größere Angriffsfläche bieten. 

    Fast aller Handlungsoptionen beraubt, könnte Nehammer rasch von der ÖVP-Spitze abmontiert und ersetzt werden – schließlich gibt es genug Parteifreunde des Niederösterreichers, die nicht ausgeschlossen haben, Herbert Kickl doch zum Kanzler zu machen. Auch das wäre dann Teil der Verantwortung, die Beate Meinl-Reisinger und ihre Partei schon jetzt zu tragen haben. 

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    1 Kommentar
    Klaus Heiß

    Nein, sie wiederholen den Fehler nicht, sondern sie machen ihn erst gar nicht. Sie stoßen lediglich einen engstirnigen grünen BP vdB und den machthungrigen BK Nehammer vor den Kopf. Außerdem werden sie für die Regierungsbildung nicht unbedingt benötigt. ÖVP/ SPÖ 92 Sitze, Rest 91 Sitze. Wieso spricht der Autor von einer Minderheitsregierung, kennt er die Zahlen nicht? Kann man da die Medien noch ernst nehmen, bei so fatalen Fakes? Das Theater hat halt wieder der FPÖ genutzt, die in neuesten Umfragen mittlerweile bei ca. 35% liegen. Unsere Urdemokraten versagen leider immer mehr.

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