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Kommentar: Nicht die Politik macht die Regeln, sondern Omikron

Kommentar

Nicht die Politik macht die Regeln, sondern Omikron

Margit Hufnagel
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    Ab sofort kein 2G mehr, ist im Fenster eines Bekleidungsgeschäftes zu lesen.
    Ab sofort kein 2G mehr, ist im Fenster eines Bekleidungsgeschäftes zu lesen. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    In der Politik ist es ja wie im sonstigen Leben auch: Man hört gerne das, was man hören will. Und so startete die hochkarätige Runde der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten vor allem mit dem Ziel in ihren Gipfel, einen neuen Pragmatismus auszurufen. Omikron sei eben nicht Delta, heißt es – deshalb müsse man auch die Strategie anpassen. Dabei hatte der Expertenrat den Verantwortlichen einen klaren Auftrag mitgegeben: Das Land braucht einen Plan für die Zeit, in der die steigenden Infektionszahlen viele Bereiche des öffentlichen Lebens lahmlegen.

    „Diese sollten daher jetzt so vorbereitet werden, dass sie ohne Verzögerung umgesetzt werden können“, heißt es in der Stellungnahme. Die Ministerpräsidenten-Riege hat den Satz offenbar überlesen, Pläne für die Zukunft sind aus den Beschlüssen nicht ablesbar. Dabei erleben viele Menschen schon jetzt, was es heißt, wenn Schüler nach Hause geschickt werden, weil zu viele Lehrer krank sind oder ganze Kindergärten geschlossen werden – die Realität schert sich eben nicht um politische Kommunikation.

    Grundsätzlich ist das richtig: Ziel politischer Maßnahmen muss stets sein, dass sie nur dann zum Greifen kommen, wenn es wirklich nicht anders geht. Insofern ist es zu begrüßen, dass sich die Ministerpräsidentenrunde – anders als noch zu Beginn der Pandemie – bemüht, sich am unteren Rand des Notwendigen zu bewegen und die Verantwortung stärker an die Bürger abzugeben. Zwei Jahre haben wir gelernt, was wir tun müssen, um halbwegs gesund durch die Krise zu kommen – anwenden müssen wir das Gelernte nun selbst.

    Die Verantwortlichen hinterlassen mehr Fragen als Antworten

    Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es keineswegs nur politische Einsicht ist, die die Verantwortlichen antreibt. Dass nicht mehr jeder einen PCR-Test bekommt, dass noch nicht einmal der Versuch unternommen wird, Kontakte nachzuverfolgen, ist keineswegs eine neue Lässigkeit – sondern schlicht das Eingeständnis, dass der Staat es nicht mehr schafft. Es ist also nicht die Ministerpräsidentenkonferenz, die den Rahmen setzt – es ist das Virus selbst. Es zwingt uns dazu, mit ihm zu leben, es in gewisser Weise laufen zu lassen.

    Wer soll künftig noch PCR-Tests bekommen?
    Wer soll künftig noch PCR-Tests bekommen? Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    Dass die Regierungen das nicht klar kommunizieren, ist einerseits verständlich, immerhin soll niemand auf die Idee kommen, dass wir hier Zeuge eines Kontrollverlustes sind. Andererseits hinterlässt dieses Spiel ohne offenes Visier viele Fragen und schürt Misstrauen. Was ist aus den Warnungen des inzwischen-Gesundheitsministers Karl Lauterbach vor Long Covid geworden? Gibt es das bei Omikron nicht mehr? Was ist mit den medizinischen Risiken einer Ansteckung? Oder sollen wir uns gar „freuen“, wenn wir uns infizieren, weil wir es dann „überstanden“ haben? Wie blicken wir eigentlich auf den Herbst – oder lassen wir uns da wieder überraschen?

    Warum schaffen wir es nicht, die seit Beginn der Pandemie herrschende Mangelwirtschaft (Tests, Masken, Schutzausrüstung) zu beheben? Eine echte Orientierung gibt Lauterbach nicht mehr, seit er in politischer Verantwortung ist. „Wir sind auf dem richtigen Weg“, sagt Kanzler Olaf Scholz. Es ist zu hoffen, dass der nicht in die Sackgasse führt.

    Risiko in der Omikron-Welle: Es liegt in unserer Verantwortung

    Natürlich heißt das nicht, dass die Ministerpräsidenten und der Kanzler in ein hysterisches Konzert der Warnungen verfallen sollten. Und natürlich ist es zulässig, seine Einschätzung zu ändern, wenn sich auch die Fakten ändern. Omikron stellt einen Wendepunkt dar, keine Frage. Doch machen wir uns nichts vor: Vieles von dem, was gerade passiert, hat weniger mit echtem Optimismus, als mit Resignation zu tun. Insofern markiert diese Phase der Pandemie womöglich tatsächlich einen echten Wendepunkt: Die Menschen müssen nun selbst entscheiden, welches Risiko sie eingehen. Und die Regierung muss hoffen, dass nicht alle gleichzeitig krank werden.

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