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Kommentar: Nicht Andreas Scheuer allein ist für Schäden verantwortlich

Kommentar

Nicht Andreas Scheuer allein ist für Schäden verantwortlich

Stefan Lange
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    Da war die Stimmung noch gut: Verkehrsminister Volker Wissing nimmt von seinem Vorgänger Andreas Scheuer (CSU) bei der Amtsübergabe einen Fahrradhelm und weitere Ausrüstung entgegen.
    Da war die Stimmung noch gut: Verkehrsminister Volker Wissing nimmt von seinem Vorgänger Andreas Scheuer (CSU) bei der Amtsübergabe einen Fahrradhelm und weitere Ausrüstung entgegen. Foto: Christoph Soeder, dpa

    Der FDP droht bei der bayerischen Landtagswahl im Oktober die Abwahl. Den aktuellen Umfragen zufolge ziehen die Liberalen nicht wieder ins Münchner Maximilianeum ein und da kann – wird sich Bundesverkehrsminister Volker Wissing womöglich gedacht haben – ein wenig Wahlkampfhilfe aus Berlin nicht schaden. Der um eine Regresspflicht seines Vorgängers ins Spiel zu bringen. Es geht um 243 Millionen Euro, für die Andreas Scheuer (CSU) geradestehen soll. „Wir lassen ein externes Gutachten erstellen, um Rechtsfragen zu klären. Das ist letztlich keine politische Frage, sondern es ist eine rechtliche Frage“, erklärte Wissing. 

    Wissings Vorstoß trifft, der FDP-Politiker ist lange genug dabei und wird es wissen, mit Scheuer nicht den Richtigen. Er müsste sich, wenn überhaupt, an den ehemaligen CSU-Chef Horst Seehofer wenden. Der forderte viele Jahre eine Pkw-Maut, zur Bundestagswahl 2013 zog er seinen Plan durch. Rechtliche Fragen störten ihn dabei kaum. Wenn man sich immer in „juristischen Bedenken“ ergehe, so Seehofer damals, „dann passiert nie was“. Die CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt und später Andreas Scheuer zogen das Projekt widerwillig durch und dann passierte durchaus etwas: 2019 kassierte der Europäische Gerichtshof die deutsche

    Mehrheit stimmte der Pkw-Maut zu

    Wissings Vorstoß wirkt durchsichtig, weil es zur Haftung von Bundesministern bereits mindestens ein Gutachten gibt. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages stellt dazu fest: Laut Grundgesetz (Artikel 34) hat der Staat die Möglichkeit, in Fällen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit Regress beim „handelnden Amtswalter“ zu nehmen. Dazu brauche es eine gesetzliche Regelung, das Bundesministergesetz sehe „eine solche Rückgriffsmöglichkeit jedoch nicht vor“. Selbst wenn Scheuer Fahrlässigkeit also nachzuweisen wäre, könnte er demnach nicht belangt werden. Bei Gesetzen geht nichts ohne den Bundestag: 397 Abgeordnete stimmten 2017 der Einführung der Pkw-Maut (Infrastrukturabgabe) zu, 135 Abgeordnete lehnten sie ab. Will Wissing die Befürworter auch alle in Haftung nehmen? 

    Und dann sind da noch all die anderen Projekte, die nicht nur Millionen, sondern gar Milliarden Euro verschlingen. Soll Kanzler Olaf Scholz Schadenersatz leisten, weil er den immens teuren Neubau des Kanzleramtes nicht stoppt? Die Mehrkosten beim Berliner Großflughafen BER, die irre Kostensteigerung beim Bahnhof Stuttgart 21, insgesamt, die Einführung der Gesundheitskarte – die Akten des Bundesrechnungshofes sind voll von Verschwendungsbeispielen, an denen die Politik beteiligt ist. Das gilt möglicherweise auch für Wissing selbst. Er habe „als Minister auch die Vermögensinteressen der Bundesrepublik Deutschland zu wahren“, sagt er. Der FDP-Politiker tut sich allerdings gerade erkennbar schwer, der Öffentlichkeit die Vergabe von Fördermitteln für Wasserstoffprojekte durch sein Ministerium zu erklären. 

    Es gibt aufgrund der Fülle an Fällen einen gewissen Gewöhnungseffekt. „Die da oben schon wieder“, möchte man müde abwinken. Gleichwohl ist und bleibt die Verschwendung von Steuergeldern ein Skandal. Für den aber, so sie keine Straftaten begangen haben, nicht einzelne Politikerinnen und Politiker in Regress zu nehmen sind, sondern ihre Parteien. Bei der nächsten Wahl zum Beispiel. 

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