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Kommentar: Nancy Faeser darf die Kommunen beim Thema Asyl nicht alleinlassen

Kommentar

Nancy Faeser darf die Kommunen beim Thema Asyl nicht alleinlassen

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    Laut Nancy Faeser war Deutschland auch im vergangenen Jahr wieder Hauptzielland der irregulären Migration in Europa.
    Laut Nancy Faeser war Deutschland auch im vergangenen Jahr wieder Hauptzielland der irregulären Migration in Europa. Foto: Paul Zinken, dpa

    Die Städte und Gemeinden in Deutschland haben ihre Belastungsgrenze bei der Unterbringung und Integration von Geflüchteten längst erreicht, teils auch überschritten. Doch ausgerechnet bei Innenministerin Nancy Faeser stoßen ihre immer dramatischer werdenden Bitten um eine bessere Unterstützung durch den Bund auf taube Ohren. Weder dürfen die Kommunen mehr Geld erwarten, noch will sich die SPD-Politikerin für eine Begrenzung des irregulären Zuzugs einsetzen. Dabei kommen die Appelle nicht nur von Bürgermeisterinnen und Landräten, die der Union angehören, sondern auch von Leuten aus der SPD oder den Grünen. Zu Recht warnen sie seit Monaten, dass die Unterkünfte überfüllt sind, Schul- und Kindergartenplätze fehlen und das Geld zur Versorgung der Flüchtlinge hinten und vorn nicht langt. 

    Wenn Faeser meint, es sei "seltsam", wenn schon zu diesem Zeitpunkt im Jahr gesagt werde, die Mittel reichten nicht aus, zeugt das von bedenklicher Geringschätzung gegenüber den Kommunen und den Menschen, die in ihnen leben. Hält Faeser die Kämmerer für zu dumm, vom Quartal aufs Jahr hochzurechnen? Damit nicht genug: Die Art und Weise, in der sie jede Begrenzung der Zahl der Flüchtlinge ablehnt, stellt einen äußerst unfairen Hieb mit der Moralkeule dar und beruht noch dazu auf einem rhetorischen Taschenspielertrick. "Acht von zehn Geflüchteten kommen aus der Ukraine. Da kann es keine Höchstgrenze für Menschlichkeit geben", sagte sie. Doch an der Hilfe für die vor dem russischen Angriffskrieg geflüchteten Menschen gibt es in der Kommunalpolitik wie in der Bevölkerung insgesamt allenfalls vereinzelt Kritik. Die Bereitschaft, die Geflüchteten aus der Ukraine, in der großen Mehrzahl Kinder und Frauen, bestmöglich zu unterstützen, ist nach wie vor erfreulich hoch. 

    Anstieg der irregulären Migration ist für Kommunen ein großes Problem

    Wovor die Kommunalpolitiker warnen, ist der deutliche Anstieg der illegalen Grenzübertritte durch Asylbewerber und Migranten aus Syrien, dem Irak, der Türkei, Afghanistan und vielen afrikanischen Staaten. In aller Regel kommen sie über sichere Drittstaaten, haben sich teils jahrelang in Ländern aufgehalten, in denen ihnen keine Verfolgung droht oder sogar bereits andernorts in Europa Asylverfahren durchlaufen.

    Viele haben keine echte Bleibeperspektive; doch in der Praxis vergehen oft Jahre, bis über ihre Anträge entschieden wird. Und danach bleiben sie in vielen Fällen weiter im Land. Denn Rückführungen finden entgegen zahlreicher anderslautender Beteuerungen, auch durch die Ampel-Regierung, kaum statt. 244.000 Asylanträge gab es im vergangenen Jahr, und in diesem könnten es rund 300.000 werden. Zahlen, die bereits höher liegen als in allen Jahren seit dem Migrationshöhepunkt 2016, als 745.000 Anträge gestellt wurden, und schon in gewöhnlichen Zeiten eine Herausforderung für die Aufnahme-Infrastruktur darstellen würden. 

    Das deutsche Asylsystem ist marode; es zu reparieren, ist Faesers Aufgabe

    Wenn gleichzeitig eine gute Million Menschen aus der Ukraine der Unterbringung und Fürsorge bedürfen, zeigt sich einmal mehr, wie richtig Altbundespräsident Joachim Gauck lag, als er sagte: "Unser Herz ist weit, doch unsere Möglichkeiten sind endlich." Städte und Gemeinden weisen die Innenministerin zu Recht auf ein marodes Asylsystem hin, das zu reparieren ihre Aufgabe wäre. Im Inland wie auf Ebene der Europäischen Union würde das viel Kleinarbeit und Beharrlichkeit erfordern. Nancy Faeser erweckt aber derzeit eher den Eindruck, als würde sie gedanklich mehr beim Landtagswahlkampf in ihrer Heimat Hessen sein. Dort will sie im Herbst Ministerpräsidentin werden. Doch wenn sie nicht spätestens zum Flüchtlingsgipfel im Mai einen Weg aus der Überlastung der Kommunen aufzeigen kann, wird es ganz, ganz schwierig für sie werden. Sollte es bei der Landtagswahl gar eine deutliche Quittung für ihre mutlose Asylpolitik setzen, muss Faeser auch fürchten, dass ihr Parteifreund Olaf Scholz sie als Innenministerin fallen lässt.

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