Der Erfolg ihrer Klage hat selbst die Kläger überrascht. Die Unionsfraktion hat mit dem Verfassungsurteil vom vergangenen Mittwoch die regierende Ampelkoalition in enorme Bedrängnis gebracht. Dem Bündnis von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) fehlen nicht nur 60 Milliarden Euro, die für den Umbau des Landes auf grün eingeplant waren. Das Bundesverfassungsgericht hat auch Finanzierungswege gesperrt, die zum festen Instrumentarium der Finanzminister gehören.
In der Koalition herrscht Ratlosigkeit, wo sie das Geld hernehmen soll. Iudex non calculat – der Richter rechnet nicht. Die Geschäftsgrundlage der Regierung ist damit zertrümmert. Sie basierte darauf, dass die SPD den Sozialstaat ausbauen durfte mit Geldern aus dem regulären Haushalt. Die Grünen durften die Energiewende mit Milliarden aus Sondertöpfen bezahlen, was dem FDP-Finanzminister Christian Lindner erlaubte, die Schuldenbremse formal einzuhalten.
Selbst den Politikern von CDU und CSU wird mulmig
Das ist nun vorbei. Denn neben dem Klima- und Transformationsfonds, aus dem zum Beispiel E-Auto-Prämie und Heizungszuschuss gestemmt werden, wackelt auch der ähnlich gestrickte Wirtschaftsstabilisierungsfonds, aus dem die Strom- und Gaspreisbremse finanziert wird.
An dieser Stelle wird auch den Politikern von CDU und CSU mulmig zumute, denn ihnen schwant, dass sie enge finanzielle Fesseln haben werden, sollten sie die nächste Bundesregierung anführen. Die CDU-geführte Landesregierung in Schleswig-Holstein will die Haushaltsnotlage ausrufen, damit ihr der eigene Schattenhaushalt zur Finanzierung wichtiger Projekte nicht um die Ohren fliegt. Auch dieser war während der Corona-Pandemie befüllt worden. Das Geld sollte über mehrere Jahre abfließen und damit zum Beispiel die Ansiedlung einer Batteriezellenfabrik im hohen Norden finanziert werden. Mit dem Kampf gegen die Seuche hat das nichts zu tun.
Genau diesen fehlenden Zusammenhang hatten die Verfassungsrichter gerügt. Und sie pochten auf das Prinzip der Jährigkeit. Eingeplante Mittel müssen im selben Haushaltsjahr verwendet werden und können nicht in Nebenkassen geparkt und in Folgejahren genutzt werden. Wegen dieses Haushaltsgrundsatzes steht zum Beispiel auch der Fonds zum Wiederaufbau des vor zwei Jahren überschwemmten Ahrtals infrage.
Der Klimawandel ist für Karlsruhe kein Notfall
Die Verfassungsrichter haben es den Finanzministern in Bund und Ländern noch an anderer Stelle deutlich schwerer gemacht, sich mit Krediten zu versorgen. Ausnahmen von der Schuldenbremse, die gleichsam für die Länder gilt, sind nur in Notsituationen erlaubt. Das Gericht definierte Notsituationen eng. Eine Pandemie gehört dazu, eine Naturkatastrophe auch, aber nicht die schleichende Krise des Klimawandels.
Ausnahmesituationen erlauben die Aufnahme hoher Schulden, allerdings muss die Notlage jedes Jahr neu begründet werden. Für die Ampelkoalition macht es das schwierig, weil derzeit keine Notlage in der Definition Karlsruhes vorliegt. Sie kann nicht einfach das fehlende Geld aus dem Klimafonds über Notfallkredite ersetzen. Der abermilliardenschwere Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft auf klimaneutral – in der Gestalt von Wärmepumpen, E-Autos, Ladesäulen, Wasserstoff-Hochöfen für grünen Stahl und Bahngleisen – kann nicht auf Pump bezuschusst werden, sondern muss aus dem regulären Haushalt beglichen werden.
Um diese riesigen Beträge freizuschlagen, müsste entweder bei den Sozialausgaben massiv gekürzt oder es müssten Steuern merklich erhöht werden. Beides ist für jeden Finanzminister, gleich welcher Couleur, ein Antragsschein auf Abwahl. Der Kampf gegen die Erderwärmung duldet aber auch kein Vorgehen mit halber Kraft. Wegen dieses Karlsruher Dilemmas könnte es sein, dass die Schuldenbremse reformiert oder abgeschafft wird. Dafür braucht es eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat. Dazu könnte es kommen, wenn die Union die nächste Bundesregierung anführt und ihr bewusst wird, dass sie nichts zum Verteilen hat. Kluge Reformvorschläge haben Ökonomen auf den Tisch gelegt.