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Kommentar: Müssen unbedingt gleich viele Frauen und Männer im Kabinett sitzen?

Kommentar

Müssen unbedingt gleich viele Frauen und Männer im Kabinett sitzen?

Michael Stifter
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    Bundeskanzler Olaf Scholz inmitten seines Kabinetts.
    Bundeskanzler Olaf Scholz inmitten seines Kabinetts. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Dass Deutschland einmal darüber diskutieren würde, warum ausgerechnet ein Mann Chef der Bundeswehr werden musste, wäre vor ein paar Jahren undenkbar gewesen. Seit Anbeginn der Tage galt es schließlich als ungeschriebenes Gesetz, dass die Truppe echte Kerle an der Spitze braucht. Doch dann stellte man(n) erstaunt fest, dass Ursula von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer ihre Sache als Verteidigungsministerinnen - gerade im Vergleich zu einigen ihrer Vorgänger - nicht schlecht gemacht haben. Die Diskussion, ob eine Frau das auch kann, schien sich endgültig erledigt zu haben. Doch nach dem Rücktritt von Christine Lambrecht geht es plötzlich wieder um die Frage: Mann oder Frau? 

    Manchen bereitete allein das Wort Verteidigungsministerin körperliche Schmerzen

    Das ist insofern albern, weil es in erster Linie darum gehen müsste, ob jemand geeignet ist oder nicht, die marode Bundeswehr, deren Wichtigkeit im vergangenen Jahr dramatisch gestiegen ist, wieder stark zu machen. Dass die Debatte geführt wird, hängt aber nicht nur damit zusammen, dass all jene, die ohnehin nur unter körperlichen Schmerzen das Wort Verteidigungsministerin auszusprechen vermochten, wieder aus der Deckung kommen und die ebenso rhetorische wie vergiftete Frage stellen, ob es denn wirklich zu viel verlangt sei, nach drei (!) Frauen hintereinander (!) mal wieder einen Mann ranzulassen. Es liegt vor allem daran, dass der Kanzler ein Versprechen gebrochen hat. 

    Fachlich ist Boris Pistorius als Verteidigungsminister durchaus schlüssig

    Rein fachlich ist die Berufung von Boris Pistorius zum neuen Bundesverteidigungsminister eine durchaus schlüssige Personalentscheidung. Doch Olaf Scholz hat damit die explizite Zusage, in einem Kabinett mit ihm an der Spitze werde es gleich viele Frauen und Männer geben, nicht gehalten. Nun feiern also die einen, dass endlich wieder Qualifikation wichtiger sei als Quote. Und andere empören sich, dass schon beim ersten Gegenwind die publikumswirksam beschworene Parität vom Tisch gefegt worden sei. Beide Seiten argumentieren arg dünn. 

    Denn erstens hat der Bundeskanzler seine zurückgetretene Ministerin ja nicht durch einen Mann ersetzt, weil dieser ein Mann ist. Und zweitens war die bisherige Frau an der Spitze der Bundeswehr ja nicht mit der Rolle überfordert, weil sie eine Frau ist. Wenn nun ausgerechnet aus der Union gelästert wird, dass es die Bundesregierung mit der Gleichberechtigung offenbar doch nicht so ernst meine, ist das ziemlich scheinheilig. Und doch nagt das alles an der Glaubwürdigkeit von Olaf Scholz. Dabei spielt es nur eine nachrangige Rolle, ob ihm Fantasie, Mut, das passende und erfahrene Personal oder alles zusammen fehlten, um die Balance in seinem Kabinett zu halten. Wäre ja zum Beispiel auch mit einer Rochade möglich gewesen. 

    Bei der Parität geht es eben nicht um Ideologie oder Quote

    Nun kann man sagen, dass in derart turbulenten Zeiten pragmatische Entscheidungen getroffen werden müssen. Oder noch einfacher gesagt: Dass es in der Krise Wichtigeres gibt, als die Frage, ob gleich viele Frauen und Männer im Kabinett sitzen. Und man kann auch darüber diskutieren, ob es geschickt von Scholz war, seine eigenen Spielräume, die wegen Regionalproporz oder den verschiedenen Parteiflügeln ohnehin begrenzt sind, mit dem Versprechen absoluter Parität weiter zu verengen. Doch das unterstellt eben auch, dass die angestrebte Parität in einer Regierung vor allem eine ideologische Sache sei. Und diese Erzählung führt unweigerlich in die Sackgasse.

    Denn es sollte bei der gleichberechtigten Rollenverteilung eben gerade nicht ums Prinzip gehen oder um die Erfüllung irgendwelcher Quoten, sondern darum, dass Frauen und Männer unterschiedliche Stärken haben, die sich in einem Team gut ergänzen können. 

    Vielleicht erinnert sich Olaf Scholz ja bei der nächsten Kabinettsumbildung daran. 

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