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Kommentar: Rücktritt? Mr. Biden, erweisen Sie ihrer Partei einen letzten Dienst

Kommentar

Rücktritt? Mr. Biden, erweisen Sie ihrer Partei einen letzten Dienst

Margit Hufnagel
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    US-Präsident Joe Biden steht mit dem Rücken zur Wand.
    US-Präsident Joe Biden steht mit dem Rücken zur Wand. Foto: Susan Walsh, dpa

    Die Bilder könnten gegensätzlicher nicht sein. Da ist dieser Donald Trump, auch er ein Mann von beinahe 80 Jahren, der Sekunden, nachdem ihm eine Kugel im wahrsten Sinne des Wortes um die Ohren geflogen ist, aufsteht und die Faust in den Himmel reckt. Der sich auf dem Parteitag der Republikaner selbst für amerikanische Verhältnisse euphorisch, ja fast messianisch feiern lässt. Und dann ist da Joe Biden, qua Amt mächtigster Mann der Welt, der auch drei Wochen nach einem verkorksten TV-Duell die Debatte über sein Alter nicht einfangen kann, der mit triefender Nase und einem Kratzen im Hals im Wahlkampf pausieren muss. Ausgebremst von einem Virus.

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    Mit jedem Tag, mit jeder neuen Nachricht, wird diese amerikanische Tragödie noch tragischer, noch schmerzhafter. Tritt er jetzt zurück? Schafft es seine Partei, Biden davon zu überzeugen, dass er loslassen muss? Doch der steigt nur ins nächste Flugzeug, zu seinem nächsten Termin und entflieht damit irgendwie auch den Realitäten des Alltags, die sich in ihrer ganzen Brutalität gerade vor ihm ausbreiten. Völlig losgelöst wirkt der Demokrat in diesen Momenten, nicht mehr greifbar für Argumente. Als ob er sich im Bauch seiner „Airforce One“ eine Art nostalgische Parallelwelt, eine Zeitkapsel geschaffen hätte.

    Er habe doch so viel getan für das Land, sagen jene, die es noch gut mit ihm meinen. Und das ist es auch, was Biden antreibt: Er glaubt, er habe es verdient, dass die Wählerinnen und Wähler ihm eine zweite Amtszeit schenken. Doch womöglich verbirgt sich genau hinter diesem Argument die größte Selbsttäuschung. Denn bei der US-Wahl geht es nicht um die Vergangenheit, es geht um die Zukunft. Es geht nicht darum, was der Präsident für die Wirtschaft erreicht hat, für die Gesellschaft, für Minderheiten. Mit jedem Stolperer, mit jedem verwechselten Namen wächst der Zweifel, ob dieser ohne Zweifel ehrenhafte Mann diesem so wichtigen Amt gewachsen ist. Trump ist für seine Wähler ein Versprechen, Biden ist für seine Wähler das kleinere Übel.

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    Leider hat Biden selbst es versäumt, sich einen gesichtswahrenden Weg aus dem Weißen Haus zu bauen. Selbst die Überzeugungsversuche seiner Partei wirken, als ob da jemand dem Opa erklärt, dass er vor dem Spazierengehen nochmal aufs Klo gehen soll: gut gemeint, aber unwürdig. Seine Losung, dass immerhin er es geschafft habe, Trump zu schlagen, könnte bald von der Erzählung abgelöst werden, dass ausgerechnet er und sein Starrsinn es waren, die dem radikalen Republikaner den Weg zurück an die Macht vereinfacht haben.

    Womöglich hilft den Demokraten am Ende nur noch der Schritt, den sie unbedingt vermeiden wollten: Bidens Vizepräsidentin Kamala Harris eine Chance zu geben. Die einstige Hoffnungsträgerin hatte viele enttäuscht. Zu wenig Profil habe sie sich erarbeitet, zu vage sei sie geblieben. Doch Harris hat einen entscheidenden Vorteil: Sie steht für eine Idee, für Ideale. Die Staatsanwältin, die Frau, die Schwarze – größer könnte der Kontrast zu Trump nicht sein. Die Kraft des Augenblicks, den ihre Nominierung entfalten könnte, hätte die Power aus der Not-Kandidatin eine Überzeugungskandidatin zu machen. Sie wäre nicht die Erste, die von einer Welle des Aufbruchs mitgerissen würde. Die Frage ist, ob ihre Partei den Mut hat. Und ob Biden diesen letzten wackligen Schritt zu gehen bereit ist.

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