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Kommentar: Mit Uniper übernimmt der Staat Verantwortung für eine ganze Branche

Kommentar

Mit Uniper übernimmt der Staat Verantwortung für eine ganze Branche

Rudi Wais
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    Mit Uniper übernimmt der Staat Verantwortung für eine ganze Branche
    Mit Uniper übernimmt der Staat Verantwortung für eine ganze Branche Foto: Nicolas Armer, dpa

    Wenn die Welt aus den Fugen gerät, müssen auch Parteien über ihre Schatten springen. Die SPD, seit Willy Brandts Zeiten dem globalen Frieden verpflichtet, lässt in Gestalt ihres Kanzlers Waffen in Kriegsgebiete liefern. Die FDP, die Anwältin des freien Marktes, nickt mal schnell die Verstaatlichung eines Energiekonzerns ab – und die Grünen, geboren nicht zuletzt aus der Anti-Atom-Bewegung, verhelfen Deutschland in Person ihres Wirtschaftsministers zu drei neuen Kernkraftwerken. Der Gasimporteur Uniper, den der Bund jetzt faktisch komplett übernimmt, ist schließlich auch an Reaktoren in Schweden und Finnland beteiligt.

    Mag die Entscheidung, ein Unternehmen mit 11.000 Mitarbeitern in 40 Ländern in den Besitz des Bundes zu überführen, angesichts der Lage auf dem Gasmarkt auch alternativlos sein: Eine Zäsur in der deutschen Wirtschaftsgeschichte ist sie allemal. Verglichen mit der Verstaatlichung von Uniper sind der Einstieg Bayerns beim Oberpfälzer Stahlwerk Maxhütte, Gerhard Schröders Versuch, mit viel Steuergeld den Baukonzern Holzmann zu sanieren, oder die Milliardenhilfen für den maroden Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate auf dem Höhepunkt der Finanzkrise ordnungspolitische Petitessen. Mit Uniper übernimmt der Staat nicht einfach nur ein taumelndes Unternehmen, sondern faktisch die Verantwortung für eine ganze Branche. Ausgang ungewiss.

    Fiele Uniper, fiele wie beim Domino anschließend vermutlich ein Stadtwerk nach dem anderen

    Wäre der Bund ein Investor wie jeder andere, würde er die Finger von Uniper lassen: Das Geschäftsmodell des Konzerns, der vor allem von der Distribution russischen Gases gelebt hat, ist in Teilen tot, die Schuldenlast ruinös hoch und ein gewinnbringender Weiterverkauf der Anteile wie nach dem Einstieg bei der Lufthansa auf lange Zeit ausgeschlossen. Wegen seiner enormen Bedeutung für die Versorgung Deutschlands mit Erdgas aber hat die Bundesregierung gar keine andere Wahl, als den Zusammenbruch des Versorgers zu verhindern. Er ist, wie es neudeutsch so schön heißt, systemrelevant. Fiele Uniper, fiele wie beim Domino anschließend vermutlich ein Stadtwerk nach dem anderen.

    Umso befremdlicher allerdings wirkt vor diesem Hintergrund das Vorgehen von Robert Habeck. Der Wirtschaftsminister, so scheint es, spielt immer noch auf Zeit, obwohl ihm die Zeit längst davon läuft. Hat er denn auch einen Plan für den Versorger VNG, der in ähnlichen Schwierigkeiten wie Uniper steckt? Was wird jetzt eigentlich aus den drei noch laufenden Kernkraftwerken? Und, nicht zuletzt: Warum hält er noch immer trotzig an seiner Gasumlage fest, obwohl er selbst inzwischen Zweifel an deren Rechtmäßigkeit hat? In dem Moment, in dem Uniper ein Staatsbetrieb wie die Bahn wird, sind wir alle Miteigentümer des Unternehmens und haften folglich auch alle für dessen Verluste. Mit der Umlage aber stünden dafür ausschließlich die Gaskunden gerade und sei es nur für eine Übergangszeit von ein paar Monaten.

    Teuer wird es so oder so. Offenbar sind die Summen, die Uniper benötigt, viel höher als anfangs angenommen. Wenn Habecks Umlage aber ohnehin zu spät käme oder gar zu niedrig ist, um eine Verstaatlichung zu verhindern, gerät die fragile Finanzarchitektur des Bundes endgültig aus dem Gleichgewicht. Um Deutschlands Versorgung mit Energie sicherzustellen, dürften inzwischen ähnliche Beträge nötig sein wie die 100 Milliarden Euro für die Runderneuerung der Bundeswehr. Dazu aber muss Finanzminister Christian Lindner, der auf das Einhalten der Schuldengrenze im kommenden Jahr pocht, noch einmal über seinen Schatten springen.

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