Es wird Menschen geben, denen dieser Kommentar nicht gefallen wird. Vielleicht werden sie die Augen rollen, nach dem Motto: Da beklagt sich wieder eine, die soll sich doch nicht so haben, früher haben sich Frauen doch auch nicht so angestellt. Vielleicht klicken sie auch einfach weiter, weil sie nicht schon wieder etwas über dieses #MeToo lesen wollen. Nervig, kompliziert das alles! Und das ist gut so, wenn sich hier und heute ein paar Menschen auf den Schlips getreten oder auch bestätigt fühlen – denn so bleibt das Schlagwort #MeToo in den Köpfen, so tut sich weiter etwas. Der Sexismus ist längst nicht erledigt.
#MeToo hat ätzende Strukturen in der Gesellschaft offenbart – nicht nur in Hollywood
Die weltweite #MeToo-Bewegung, die im Herbst vor fünf Jahren startete, hat aufgezeigt, dass weder in unserem Land, noch in anderen (westlichen) Ländern so viel Gleichberechtigung herrscht, wie viele gehofft, geglaubt oder gesagt hatten. #MeToo hat wie ein Lackmustest ätzende Strukturen in unserer Gesellschaft offenbart: Menschen, die schamlos ihre Macht ausnutzen und andere, meist Frauen, sexuell belästigen, ausnutzen, missbrauchen, dominieren. „Me Too“ (zu deutsch: Ich auch) ist inzwischen ein Synonym für diesen Missstand und das Aufbegehren dagegen. Die fünf Buchstaben haben die Welt verändert – zumindest ein Stück weit.
Los ging es mit einem Satz auf US-Kurznachrichtendienst Twitter. Als 2017 durch Recherchen der New York Times bekannt wurde, dass der Filmproduzent Harvey Weinstein jahrelang seine Macht ausgenutzt und Frauen missbraucht hat, schrieb die Schauspielerin Alyssa Milano: „Wenn du sexuell belästigt oder angegriffen wurdest, schreibe Me Too.“ Es meldeten sich Millionen, meist Frauen. Der Weinstein-Skandal war nicht bloß ein Hollywood-Phänomen.
#MeToo hat ermutigt und ermächtigt
Weil sie durch #MeToo erfuhren, dass sie nicht allein, dass sie viele sind, trauten sich Frauen, über erlebte Belästigung und erlittenen Missbrauch zu sprechen, meldeten sich nach dem Motto „keine Details, aber mir ist auch so etwas passiert“ oder bekundeten einfach nur ihre Solidarität. Gemeinsam wurden sie stark und wurden auch gehört – plötzlich konnten sie der Macht der Täter etwas entgegensetzen.
Mehr noch: Die Debatte sorgte dafür, dass darüber gesprochen wurde, was sich manche Menschen herausnehmen, und dass Widerstand erfolgreich sein kann. Mächtige Männer sind nicht länger über jeden Zweifel erhaben – das zeigt auch der Fall Julian Reichelt, der wegen Machtmissbrauchs gegenüber Mitarbeiterinnen seinen Job als Bild-Chefredakteur verlor.
Seit #MeToo gibt es mehr Gegenwind
Gerade wird wieder mehr über #MeToo gesprochen, weil mit „She Said“ nun auch der Film über den Weinstein-Skandal in die Kinos kommt. Ansonsten ist es stiller um die Bewegung geworden, sie ist aber nicht tot. Sie war keine Revolution, aber ein ordentliches Erdbeben, das seitdem immer wieder aufrüttelt und für mehr Achtsamkeit und Umdenken sorgt. Manch einem mag die Kommunikation mit dem anderen Geschlecht nach #MeToo vielleicht etwas komplizierter erscheinen. Was darf man denn nun noch sagen?! Für manch andere indes ist es seit #MeToo einfacher, weil der ein oder andere Gedanke eines Gegenüber vorsichtshalber den Mund nicht verlässt. Gut so.
Es wäre allerdings blauäugig zu denken, dass mit #MeToo alles gut wird. Selbstgefällige Menschen, die andere sexuell belästigen, missbrauchen, dominieren, die wird es leider immer geben – Männer wie Frauen übrigens. Aber seit #MeToo bekommen sie definitiv und endlich mehr Gegenwind.