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Kommentar: Merz' Sonthofen-Strategie ist gefährlich

Kommentar

Merz' Sonthofen-Strategie ist gefährlich

Peter Müller
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    Unionsfraktionschef Friedrich Merz.
    Unionsfraktionschef Friedrich Merz. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Angesichts des maroden Zustands der Ampel-Regierung werden CDU und CSU in diesen Tagen nicht danach bewertet, wie gut sie ihre Arbeit in der Opposition machen, so lautet eine These unter Meinungsforschern. Nein, die Bürgerinnen und Bürger blicken auf Friedrich Merz und seine Mitstreiter längst mit einer ganz anderen Fragestellung: Trauen wir

    Die Antwort, das muss man so klar sagen, fällt derzeit nicht allzu positiv aus. Die CDU und ihr Vorsitzender lassen nicht viel mehr Regierungsfähigkeit erkennen als die zerrüttete Ampel-Regierung, die man ja eigentlich ablösen will. Ein gutes Beispiel ist der Brief an den Kanzler, den Merz (und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt) vor wenigen Tagen öffentlichkeitswirksam lancierten. Darin listen sie ein Dutzend Vorhaben auf, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen.

    Sonthofen-Strategie ist die größtmögliche Blockade

    Soweit das Versprechen. Doch abgesehen davon, dass völlig offen ist, wie diese Verheißungen finanziert werden sollen, abgesehen davon, dass schon Ronald Reagan in den 1980er Jahren damit scheiterte, durch einen mit Steuersenkungen ausgelösten Wirtschaftsboom die entfallenen Einnahmen für den Staat wieder einzusammeln, abgesehen also von Sinn und Unsinn der Merz´schen Ideen, steckt hinter dem Papier eine ganz andere Wahrheit: Es geht Merz überhaupt nicht um die Wirtschaft. Es geht darum, die Ampel-Regierung einmal mehr als entscheidungsschwach aussehen zu lassen. 

    Sicher, so kann man Opposition machen. Regierungsfähigkeit aber beweist das nicht. Das gilt vor allem deshalb, weil es längst konkrete Entlastungsvorhaben für die Wirtschaft gibt, die nur deshalb nicht Gesetz werden, weil CDU und CSU im Bundesrat verzögern. Die Rede ist vom sogenannten Wachstumschancengesetz aus dem Finanzministerium Christian Lindners. Sicher, das Ganze ist ein typisches Ampel-Produkt, also der kleinste gemeinsame Nenner zerstrittener Partner, bestenfalls ein Trippelschritt um die Unternehmen von Bürokratie- und Steuerlasten zu befreien. Aber eben auch: ein Schritt in die richtige Richtung.

    Trotzdem sagen CDU und CSU bislang – nein. Dahinter steckt eine Strategie, die bei Unions-Kennern unter dem Schlagwort „Sonthofen“ firmiert. Erfunden hat sie, wer sonst, Franz Josef Strauß. Der CSU-Übervater verordnete seiner Landesgruppe vor bald 50 Jahren bei einer Tagung nahe des idyllischen Oberallgäuer Luftkurorts die größtmögliche Blockade: Keinerlei Zusammenarbeit mit der Regierung - die Wähler sollten das nach Strauß´ Ansicht morsche Gebäude der sozialliberalen Koalition in seiner ganzen Baufälligkeit wahrnehmen, um es dann, bei der nächsten Wahl, zum Einsturz zu bringen.

    Regierung und Opposition gehören an einen Tisch

    Brutal-Blockade mit dem Ziel des Machtwechsels – auch Oskar Lafontaine erwies sich 1998 als Meister der Sonthofen-Strategie. Mit Hilfe der SPD-Länder torpedierte er Helmut Kohls Steuerreform und damit dessen letzte Chance, sein Image als Aussitzkanzler loszuwerden. 

    Zu Strauß` Zeiten klappte die Idee beinahe (48,6 Prozent bei der Bundestagswahl 1976), später, bei Lafontaine ging sie auf. Und heute? Heute steckt die Wirtschaft in der Rezession, heute droht die Ukraine gegen den Aggressor Putin zu unterliegen, heute kündigt Trump schon mal an, künftig Schutzgeld von den Europäern einzutreiben, bevor die USA ihre Nato-Beistandsverpflichtung erfüllen. Nein, heute sind gewiss keine Sonthofen-Zeiten. Heute gehören Regierung und Opposition an einen Tisch, zum Wohle des Landes. 

    Genau damit würden CDU und CSU beweisen, dass sie wirklich bereit sind, zu regieren. Und nicht durch eine Kombination aus luftigen PR-Papieren und der Verweigerung von Verantwortung ausgerechnet dort, wo sich einmal etwas zum Besseren wenden könnte.

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