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Kommentar: Merkel ist auf Erdogan und Tsipras angewiesen

Kommentar

Merkel ist auf Erdogan und Tsipras angewiesen

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    Alexis Tsipras kann sich auf Angela Merkel verlassen.
    Alexis Tsipras kann sich auf Angela Merkel verlassen. Foto: Stephanie Pilick (dpa)

    Wenn der Plan Angela Merkels aufgehen soll, dann ist die Europäische Union künftig nicht nur auf den türkischen Staatspräsidenten Erdogan angewiesen. Auch Griechenland kommt bei dem Versuch, die Masseneinwanderung dauerhaft zu stoppen, eine wichtige Rolle zu. Erdogan wurde gegen gutes Geld und allerlei Zugeständnisse als Grenzpolizist engagiert, der möglichst viele Flüchtlinge auf seinem Territorium festhält.

    Athen fällt die Aufgabe zu, für die in Griechenland ankommenden Flüchtlinge ein ordentliches Asylverfahren zu gewährleisten und die Rückführung in die Türkei zu organisieren. Die Bundeskanzlerin braucht also Erdogan und Tsipras, um die südöstliche EU-Außengrenze so weit sichern zu können, dass es auf der „Balkanroute“ keiner Grenzschließungen und Grenzzäune mehr bedarf. Entsprechend wohlwollend behandelt Merkel neuerdings die Wünsche Erdogans, der nun an einem langen Hebel sitzt und davon – wie der Fall Böhmermann zeigt – ungeniert Gebrauch macht.

    Merkel benötigt Griechenland für Entschärfung der Flüchtlingskrise

    Auch die griechische Regierung, die im vergangenen Jahr Hunderttausende Richtung Deutschland einfach durchgewunken hat, ist sich ihrer Schlüsselfunktion bewusst – und wird daraus ebenfalls Kapital schlagen. Dem völlig überschuldeten Land, das seit 2010 mit hunderten von Milliarden Euro über Wasser gehalten wird, droht ja schon wieder die Zahlungsunfähigkeit. Ohne frisches Geld ist Hellas im Juli pleite. Das Tauziehen um die Bedingungen der Hilfsleistung ist in vollem Gange. Im Sommer 2015, bei den dramatischen Verhandlungen um den dritten, mit 86 Milliarden Euro gefüllten Rettungstopf, hat die Bundesregierung eine harte Linie verfochten und weitere Leistungen von der Einhaltung griechischer Spar- und Reformzusagen abhängig gemacht. Ob Merkel nun, da es ernst wird mit der Überweisung der Milliarden, an diesem Kurs festhält? Wohl kaum.

    Griechenland wird zur Entschärfung der Flüchtlingskrise dringend benötigt, und Merkel wird mehr denn je alles daransetzen, das Land in der Eurozone zu halten und vor dem Kollaps zu bewahren. Ein „Grexit“, der Mitte 2015 noch ernsthaft zur Debatte stand, ist kein Thema mehr. Nicht nur, weil Europa um seiner Einheit willen Griechenland an Bord halten will und den Präzedenzfall scheut. Sondern auch, weil die Kanzlerin und die EU in der Flüchtlingsfrage vom Mitmachen Athens abhängig sind. Man wird also Tsipras entgegenkommen, die Sparauflagen lockern und die Laufzeiten der Kredite so weit strecken, dass es einem Schuldenerlass gleichkommt.

    Dies alles mag, weil das zugrunde gewirtschaftete Land in einer schweren Rezession steckt, sinnvoll sein. Aber was sollen Auflagen nach dem Motto: „Geld nur gegen Reformen“, wenn sich die Geldgeber ständig an der Nase herumführen lassen? Die Regierung Tsipras verschleppt die Reformen, die sie versprochen hat. Ob Steuer-, Renten- und Bankensystem oder Staatsverwaltung: Nichts geht voran. Deshalb droht das wettbewerbsunfähige Land auf Dauer zum Kostgänger anderer Staaten und deren Steuerzahlern zu werden.

    Rettungspolitik in Griechenland bisher gescheitert

    „Sparen und reformieren“: Das war Merkels Marschroute im Kampf gegen die Schulden- und Eurokrise. In Griechenland ist die Rettungspolitik bisher gescheitert. Noch viel schwerer wiegt, dass auch Euro-Schwergewichte wie Italien und Frankreich die Zügel schleifen lassen und viel mehr Schulden machen, als es die Verträge erlauben. Der Abschied von der versprochenen Stabilitätspolitik ist längst eingeläutet, der Weg in die EU-Schuldenunion vorgezeichnet. Jeder macht wieder so viele Schulden, wie er will. Und die Kanzlerin lässt es geschehen.

    Abschied von der versprochenen Stabilitätspolitik

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