Die tödliche Messerattacke eines Afghanen auf einen Polizisten in Mannheim ist ein Wendepunkt in der deutschen Asylpolitik. Es ist zu bedauern, dass erst ein Beamter sterben musste, bevor die Bundesregierung ihren Kurs ändert. Doch ohne die Brutalität der im Bild festgehaltenen Tat wäre der Schwenk nicht erfolgt. Ohne Bilder keine bundesweite Erschütterung und keine politische Reaktion. So funktioniert die moderne Demokratie und nicht erst seit heute.
Nun sollen schwerkriminelle Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan in ihre Heimatländer abgeschoben werden. Bislang ist das nicht möglich, weil am Hindukusch die Taliban die westlichen Besatzer vertrieben und einen radikal-islamischen Gottesstaat errichtet haben. In Syrien hat Diktator Baschar al-Assad den Bürgerkrieg mit russischer und iranischer Hilfe überlebt, viele Städte liegen immer noch in Trümmern. Bisher dürfen Geflüchtete nicht dorthin zurückgeschickt werden, weil ihnen Verfolgung und Folter drohen. Beide Staaten gelten als unsicher.
Die deutsche Abschiebe-Politik: Mental noch in der alten Zeit
Nun ziert sich die Bundesregierung aber, mit den Regimen über die Rücknahme ihrer Staatsbürger direkt zu verhandeln. Sie sollen nicht aufgewertet werden, also spricht Berlin mit Nachbarländern. Im Falle Afghanistans sind das Pakistan und Usbekistan. Bei Syrien steht die Überlegung im Raum, Damaskus als sicher einzustufen und die Kriminellen mit türkischen Fluggesellschaften in die syrische Hauptstadt zu bringen.
Das komplizierte Prozedere zeigt, dass die Bundesregierung auf die neue Weltlage mental immer noch nicht eingestellt ist. Der Bruch des eigenen moralischen Anspruchs – wir schieben nicht in Diktaturen ab – wird unter Verfahren und Ausweichrouten verborgen. Für den abzuschiebenden Straftäter ändert das freilich nichts, es geht allein um das Intaktbleiben einer deutschen Restmoralität.
Außenpolitisch hatte es die Bundesrepublik in Sachen Moral international zu wahrer Meisterschaft gebracht. Der Import von Gas und Öl finanzierte die Kriegskasse Wladimir Putins, in China machte die deutsche Wirtschaft goldene Geschäfte, während beide Weltmächte in sorgenvollem Ton daran erinnert wurden, doch bitte Freiheit zu geben. Erst kam natürlich das Fressen. Dass nun ausgerechnet in das Reich der islamischen Gotteskrieger abgeschoben werden soll, während sich Annalena Baerbock einer feministischen Außenpolitik verpflichtet fühlt, ist eine besonders bittere Ironie.
Deutschland und der Glaube an das Völkerrecht
In engem Zusammenhang mit der weiß scheinenden Weste Deutschlands steht der Glaube an das Völkerrecht als quasi in Paragrafen geronnene Moral. Um es deutlich zu sagen: Großmächte wie die Vereinigten Staaten, Russland und China nutzen das Völkerrecht als Instrument, wenn es ihnen genehm ist, und brechen es, wenn sie es für nützlich halten.
Als mittlere Macht hat die Bundesrepublik nach dem Zusammenbruch des Ostblocks auf internationale Abkommen und Organisationen gesetzt, was seinerzeit der richtige Weg war. Doch spätestens mit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist die Geopolitik zurück. Großmächte ringen um Einflusszonen – militärisch, ökonomisch und kulturell. Es gilt das Recht des Stärkeren, nicht die Stärke des Rechts, wie hierzulande gerne betont wird. Die Blockade des UN-Sicherheitsrates als Maschinenraum des Völkerrechts, in dem China und Russland westliche Initiativen mit ihrem Veto ausbremsen, ist das offensichtliche Zeichen für den Bedeutungsverlust der Vereinten Nationen und der sie begründenden Verträge.
Außerhalb der eigenen Einflusszone liegt der dunkle Wald, in dem das Recht des Mächtigeren gilt. Für die deutsche Außenpolitik heißt das, dass es in Asien, dem Nahen und Mittleren Osten und Afrika um reine Interessenpolitik nach Nützlichkeit geht. Übertragen auf Abschiebungen hieße das: Wir nehmen die Delinquenten zurück – aber dafür wollen wir Geld und Anerkennung.