Es ist das gleiche Lächeln – seit Jahren. Ein Lächeln, das die Fantasie von Politikern, Experten und Medien beflügelt. Bedeutet es Gewogenheit, Gleichgültigkeit, Überheblichkeit oder ist es eben nur der immer gleiche Gesichtsausdruck, mit dem der chinesische Machthaber Xi Jinping seine ausländischen Gäste empfängt und dann auch wieder verabschiedet?
Erfolgversprechender ist es, an diplomatischen Gesten und der Reaktion in den Medien abzulesen, welchen Status ein Politiker in Peking hat. Was der Doppelbesuch der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und des französischen Präsidenten Emmanuel Macron betrifft, so war die Diagnose eindeutig: Chinas Staatsmedien würdigten Macron fast überschwänglich, von der Leyens Auftritte wurden beiläufig registriert.
Macron, der eine hochkarätige Wirtschaftsdelegation im Schlepptau hatte, verbrachte deutlich mehr Zeit mit Xi. Dafür, dass Macron seinen Gastgeber tatsächlich davon überzeugen konnte, Russland zu ernsthaften Verhandlungen mit Kiew zu bewegen, spricht allerdings nichts.
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen blieb auch in Peking bei ihrer Kritik
Von der Leyen blieb ihrem kritischen Kurs gegenüber China treu. Ganz anders Macron. Seine unbedachten, ja realitätsfernen und überheblichen Äußerungen schwächen die Position der EU. Noch im November bei der Vorstellung einer neuen französischen Sicherheitsstrategie hatte er die chinesischen Drohungen gegen Taiwan gegeißelt. Jetzt spricht er plötzlich von „Krisen, die nicht die unseren sind“, und verzichtet darauf, ein chinesisches Militärmanöver rund um Taiwan zu verurteilen, das einer Übung für eine Blitzeroberung der Insel glich.
Gleichzeitig warnt er Europa davor, zum „Mitläufer“ der USA zu werden. Natürlich ist spätestens seit der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump klar, dass Europa stärker auf eigene Fähigkeiten setzen muss – politisch und militärisch. Eine US-Präsidentschaftswahl kann genügen, die Verlässlichkeit der USA infrage zu stellen. Der Ukraine-Krieg zeigt jedoch gerade wieder, dass Europa ohne die USA geopolitisch kaum handlungsfähig ist. Um dies zu verändern, wären so durchgreifende wie schmerzhaft kostenintensive Schritte nötig, die bisher allerdings auch Frankreich scheut.
Das Schicksal Taiwans scheint Emmanuel Macron nicht zu kümmern
Dass Macron Taiwan offensichtlich für ein geeignetes Objekt hält, um ein neues europäisches Selbstbewusstsein gegenüber Washington zu proklamieren, ist fatal. Der von der taiwanischen Bevölkerung getragene Wunsch nach Unabhängigkeit und Demokratie scheint ihn neuerdings völlig kaltzulassen – lieber twittert er euphorisiert „Es lebe die Freundschaft zwischen China und Frankreich“.
Wofür steht China? Wie das befreundete Russland für eine gnadenlose Unterdrückung im Inneren und für eine aggressive Politik nach außen. Die wirtschaftliche Abhängigkeit Europas, insbesondere auch Deutschlands, von Peking hat ein höchst ungesundes Maß erreicht. Es gilt sich behutsam und punktuell aus dieser Lage zu befreien. Kritiklose Anbiederung hilft dabei nicht. Angenommen, China greift Taiwan – das nie Teil der Volksrepublik war – tatsächlich militärisch an. Dann wird auch ein selbstbewusstes Europa klar Position beziehen müssen und von den massiven Auswirkungen des Konfliktes nicht verschont bleiben.
Will Macron mit seinem Schmusekurs gegenüber Peking von seinen massiven innenpolitischen Schwierigkeiten ablenken oder hat er sich einfach außenpolitisch verrannt? Xi Jinping dürfte es egal sein. Das Ergebnis ist für ihn sehr erfreulich. Er wird lächeln.