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Kommentar: Lindner und das Bürgergeld-Dilemma

Kommentar

Lindner und das Bürgergeld-Dilemma

Rudi Wais
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    Christian Lindner will den Grundfreibetrag rückwirkend zum Jahresanfang anheben.
    Christian Lindner will den Grundfreibetrag rückwirkend zum Jahresanfang anheben. Foto: Michael Kappeler, dpa

    An diesem Versprechen wird Christian Lindner sich messen lassen müssen. Obwohl es im Bundeshaushalt an allen Ecken und Enden klemmt, will der Finanzminister noch im laufenden Jahr den Grundfreibetrag in der Lohn- und Einkommenssteuer anheben. Die Entlastung dadurch wird sich für die meisten Beschäftigten zwar im überschaubaren Rahmen halten, den Bund aber dürfte sie gleichwohl ein paar Milliarden Euro kosten. Konkrete Zahlen nennt der FDP-Chef ja wohlweislich bislang nicht. Sozialdemokraten und Grüne, darf man annehmen, würde das Geld lieber für andere Zwecke ausgeben. 

    In der Sache hat Lindner dabei in allen Punkten recht. Zum Jahreswechsel hat die Koalition das Bürgergeld um zwölf Prozent erhöht. Die Sätze für die Bedürftigen deutlich stärker anzuheben als die Freibeträge für die Beschäftigten, wäre ein ordnungspolitischer Systembruch. Das Bürgergeld sichert, wenn man so will, das Existenzminimum all jener Menschen, die sich selbst befristet oder dauerhaft nicht selbst helfen können. Bei der Lohn- und Einkommenssteuer übernimmt der Grundfreibetrag von gegenwärtig 11.604 Euro diese Aufgabe. Auf die ersten 11.604 Euro eines Jahreseinkommens darf der Fiskus deshalb keine Steuern erheben. 

    Leistung muss sich auch lohnen

    Da der Freibetrag zum Jahreswechsel nur um etwas mehr als sechs Prozent gestiegen ist, also nur halb so stark wie das Bürgergeld, klafft zwischen Beschäftigten und Bedürftigen jetzt eine Gerechtigkeitslücke. Und je größer diese Lücke wird, umso größer wird auch der Anreiz, sich gar keine Arbeit mehr zu suchen, sondern sich im Bürgergeld einzurichten, so gut es eben geht. Das alte liberale Prinzip, nach dem Leistung sich auch lohnen muss, wird ins Gegenteil verkehrt, wenn die staatliche Fürsorge immer weiter ausgeweitet wird, die Steuerbelastung aber tendenziell eher steigt als zu sinken. Eine Anpassung des Grundfreibetrages in der gleichen Größenordnung wie beim Bürgergeld ist daher kein Steuergeschenk der Regierung, sondern ein Akt der Fairness.

    Dass Lindner die Höhe des neuen Freibetrages erst im Herbst bekannt geben und dann rückwirkend zum Jahresanfang gelten lassen will, spricht Bände. Offenbar sind in der Ampelkoalition schon vermeintliche Selbstverständlichkeiten nicht mehr selbstverständlich. 

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