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Kommentar: Kurz verlässt die Politik - der Schaden für Österreich und die ÖVP bleibt

Kommentar

Kurz verlässt die Politik - der Schaden für Österreich und die ÖVP bleibt

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    Der ehemalige österreichische Kanzler Sebastian Kurz hat seinen vollständigen Rückzug aus der Politik bekanntgegeben.
    Der ehemalige österreichische Kanzler Sebastian Kurz hat seinen vollständigen Rückzug aus der Politik bekanntgegeben. Foto: Herbert Neubauer, APA/dpa

    Das war es also für Sebastian Kurz. Wenn er nicht sein kann, was er sein will – nämlich der strahlende Gewinner, Macher und Retter – dann zieht der österreichische Ex-Kanzler und gefallene Shootingstar der Konservativen in Europa gleich ganz die Reißleine.

    Sebastian Kurz inszeniert sich in seiner Abschiedsrede als dankbar und unschuldig

    Nach nur wenigen Wochen als Fraktionschef im Parlament tritt er nun von allen Ämtern zurück. Die „hundertprozentige Begeisterung“, mit der er in den letzten zehn Jahren Politik gemacht habe, sei „etwas weniger geworden“, sagte Kurz am Donnerstag in seiner wie immer aufgefeilten Abschiedsrede, die er, ganz wie in alten Tagen, bevor die Fassade aufgrund der Korruptionsermittlungen gegen ihn und sein engstes Umfeld brüchig geworden war, schauspielerisch perfekt, scheinbar emotionslos vortrug. Die Begeisterung, sie habe nachgelassen, weil er „nur mehr mit der Abwehr von Vorwürfen, von Unterstellungen, von Verfahren“ zu tun hatte. Und durch die Geburt seines kleinen Sohnes Konstantin habe er schlussendlich erkannt, dass es noch andere, wichtigere Dinge gebe im Leben als die

    Kurz Abschiedsrede – sie ist der eindrückliche Beweis, dass es kein Staatsmann ist, der nun die politische Bühne verlässt. Sie ist ein Lied, dass wir von Kurz monatelang gehört haben: Er, der „Gejagte“, er, der Leidenschaftlich-Begeisterte, aber auch der natürlich Nicht-Perfekte. Er, der „weder Heiliger noch Verbrecher“ sein will. Vor allem aber: Er, der Unschuldige, der dankbar sei, die Chance gehabt zu haben, „der Republik zu dienen“.

    Ex-Kanzler Kurz hat in seiner Amtszeit Vertrauen zerstört

    Wie „der Republik dienen“ aussieht, in guten wie in schwierigen Zeiten, das kann und konnte man bei Kurz‘ Antagonistin, der scheidenden Kanzlerin Angela Merkel beobachten. An Österreich in der Zeit des Sebastian Kurz konnte man hingegen studieren, welche Konsequenzen Egomanie, Machtrausch und rechtspopulistische Methoden und Themen haben.

    Sebastian Kurz hat dieses Land zugerichtet, dass man es kaum mehr erkennt: Der einst so starke Konsens zwischen Konservativen und Progressiven ist dahin, ebenso wie jegliche Beschaulichkeit und Ruhe. Anspannung und Konfrontation bestimmen nun das gesellschaftliche Klima. Die Medienlandschaft ist mit einem fundamentalen Glaubwürdigkeitsverlust konfrontiert – zu heftig war vielerorts die Anbiederung an das „System Kurz“, nicht nur beim Boulevard.

    Unter Kanzler Kurz wird die Corona-Pandemie zur Bühne

    Vor allem aber machte sich Kurz in seinem unbedingten Willen zur Selbstinszenierung sogar die größte Krise seit Kriegsende zunutze: Die Corona-Pandemie als Bühne für seine populistische Profilierung, von staatsmännischem Dienen war da keine Spur, im Gegenteil. Es ist zu einem guten Teil Kurz‘ Rücksichtslosigkeit auch gegenüber beiden grünen Gesundheitsministern (wie auch deren erratischem Zögern) zu verdanken, dass Österreich nach wie vor schlimmer als andere Staaten mit dem Virus zu kämpfen hat, dass der Regierung nur mehr von einer Minderheit zugetraut wird, die Corona-

    Der wachsenden Aggressivität des Corona-Leugner-Milieus steht die Regierung ratlos gegenüber. Corona ist in Österreich auch zu einer massiven gesellschaftlichen Krise geworden. Das ist also die „Veränderung“, die Kurz zu Beginn seines Aufstiegs zum Kanzler angesagt hatte.

    Kurz hat die ÖVP zur rechtspopulistischen Bewegung gemacht

    Seine Partei, die ÖVP, hat Sebastian Kurz zu einer rechtspopulistischen Bewegung mit autoritären Zügen umgebaut. Nach dem Höhenrausch, den Kurz den Konservativen bei Umfragen wie bei Wahlen beschert hat, steht sie nun vor einem Scherbenhaufen. Die schwarzen Bundesländer sind uneins, wie es weitergehen soll. Das Dilemma, dass zwar im Bund nach wie vor die Strukturen des „System“ Kurz bestehen und noch immer jede Menge Kurz-treues Personal am Werk ist, muss nun wohl Noch-Innenminister Karl Nehammer lösen. Er soll es dem Vernehmen nach sein, der sowohl Partei als auch Kanzleramt, dieses von Alexander Schallenberg, übernehmen wird. Die österreichische Regierung steht erneut vor einem Komplett-Umbau.

    Mag der Rückzug des erst 35-jährigen Ex-Wunderkanzlers nun wirklich endgültig sein, oder vielleicht doch nur eine lange Karenz, bis die Gerichte über die Korruptionsvorwürfe geurteilt haben – seiner Partei, die nun auch um des Landes Willen um Stabilität und um die eigene Zukunft ringt, und dem Land selbst hat Kurz in Summe doch nur geschadet. So ein Einsehen aber kann man von Kurz nicht erwarten. Ein Politiker, der nur als Manager und Strahlemann funktioniert, ist kein Erfolgsmodell in krisenhaften Zeiten. Staatsmännisches Verhalten – das heißt, unbequeme Entscheidungen zum Wohle der Allgemeinheit zu treffen, auch auf Kosten der eigenen Popularität. Das ist die Lektion, die Sebastian Kurz uns erteilt hat.

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