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Kommentar: Klimaschutz darf nicht zur Ideologie werden

Kommentar

Klimaschutz darf nicht zur Ideologie werden

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    Sinnbild der deutschen Debatte:  Klimaaktivisten kleben sich auf den Asphalt.
    Sinnbild der deutschen Debatte: Klimaaktivisten kleben sich auf den Asphalt. Foto: Bernd Thissen, dpa (Archivbild)

    Noch hatten noch nicht einmal alle Kritiker die 16 Seiten der neuen Klimapläne der Bundesregierung zu Ende gelesen, da zerrissen sie das Papier schon in der Luft. Nicht weniger als 45 Milliarden Euro stellt der Bund zusätzlich für den Ausbau der Schiene zur Verfügung, um Verkehr von der Straße auf die Bahn zu verlagern. Die Summe beträgt fast die Hälfte des viel gefeierten "Sondervermögens" für die Bundeswehr, obendrein aber nicht schuldenfinanziert, sondern durch eine CO₂-Abgabe auf den Lkw-Verkehr. 

    Der Grundkonsens beim Klimaschutz darf nicht bröckeln

    Man könnte meinen, eine Regierung bekäme dafür ein paar Worte der Anerkennung. Stattdessen tobt eine Lobby, die für Klimaschutz durch Verbote und Einschränkung kämpft. Sie verdammt, dass die Koalition lange geplante Ausbauprojekte chronischer stau- und unfallgefährdeter Autobahnabschnitte schneller fertigstellen will. Ursprünglich argumentierten die, dies ginge zulasten des Bahnausbaus. Doch nachdem die Koalition den Bahnausbau noch mehr beschleunigen will, verweisen die Kritiker auf ihre reine Lehre, wonach Straßen einfach schlecht fürs Klima sind. Ein weiteres Beispiel, wie

    Dieser Trend birgt die Gefahr, dass der Grundkonsens über den notwendigen Kampf gegen die Erderwärmung bröckelt. Es hatte lange gedauert, bis keine ernst zu nehmende Kraft in Politik, Wissenschaft und Gesellschaft mehr in Abrede stellt, dass der bedrohliche Klimawandel menschengemacht ist. Inzwischen herrscht breiter Konsens, dass Deutschland Vorreiter und Vorbild sein muss, um der Erderwärmung Einhalt zu gebieten. Aber das gelingt nicht durch die Formel "Ideologie statt Pragmatismus", allenfalls das eigene Gewissen beruhigt.

    Sein und gefühltes Umweltbewusstsein liegen in Deutschland auseinander

    Deutschland fühlt sich gerne in einer Musterrolle, sowohl was technologischen Fortschritt als auch ökologisches Gewissen angeht. Allerdings kommen nicht nur wichtige Innovationen immer häufiger aus dem Ausland. Auch tatsächliches Sein und gefühltes Umweltbewusstsein liegen in der Bundesrepublik weit auseinander. 

    Ein Beispiel: Trotz zahlloser Regeln und politisch-gesellschaftlicher Errungenschaften wie Gelbem Sack, Dosenpfand, Mehrwegsystem und Verboten ist Deutschland beim Plastikmüll in Europa Spitzenreiter. Nicht bei der Vermeidung, sondern in der Mülltonne: Nur die Litauer produzieren mehr Kilogramm Plastikmüll pro Einwohner als die Deutschen. Auch beim Recycling liegt der gefühlte Weltmeister Bundesrepublik nur im Mittelfeld knapp über dem EU-Durchschnitt.

    Lebenslügen regierten lange die Politik

    Lebenslügen bestimmten auch lange Zeit die Regierungspolitik beim Kampf gegen den Klimawandel. Sie schrieb für sinkende CO₂-Werte immer schönere "Flottenziele" für die Autoindustrie in Gesetze, wohl wissend, dass die Verbrauchsangaben mehr mit der bunten Werbewelt als der Realität zu tun hatten. Die angefixten Autobauer trieben die Tricksereien auf dem Abgasprüfstand mit dem Dieselskandal auf die Spitze. 

    Der Kampf gegen die Erderwärmung ist aber zu wichtig, um die Zeit mit weiteren Lebenslügen oder Verzichtsromantik zu verschwenden. Der größte Teil der Weltbevölkerung strebt nach mehr Wohlstand und mehr Wachstum, nicht nach Stillstand. Deutschland muss danach streben, Spitzenreiter im Angebot von Technologien zu sein, um Klima und Wachstum zu versöhnen. Dabei würde es helfen, wenn sich noch mehr Klimaschützer mit der Marktwirtschaft und deren großer Kraft versöhnen.

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