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Kommentar: Kanzler sagt Basta: Ampel ist auch nur eine Koalition wie alle anderen

Kommentar

Kanzler sagt Basta: Ampel ist auch nur eine Koalition wie alle anderen

Rudi Wais
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    Bundeskanzler Olaf Scholz hat ein Machtwort gesprochen.
    Bundeskanzler Olaf Scholz hat ein Machtwort gesprochen. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Wenn es eng wird in einer Koalition, wenn politische Glaubensfragen wichtiger sind als pragmatische Lösungen, wenn der Ton immer gereizter wird und jede Partei jeden Kompromiss als Niederlage empfände, hat ein Kanzler nur noch zwei Möglichkeiten: er kann, wie Gerhard Schröder 2001 im Streit um den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr, die Vertrauensfrage stellen und damit auch das Risiko eingehen, dass seine Koalition zerbricht – oder er kann sich, wie Olaf Scholz, auf seine im Grundgesetz verankerte Richtlinienkompetenz berufen. Im Streit um die Laufzeiten der letzten Reaktoren hat er jetzt jetzt ein Machtwort gesprochen, das Grüne wie Liberale gleichermaßen düpiert.

    Die AKW-Entscheidung von Scholz ist vernünftig

    Die Entscheidung, alle drei noch laufenden Kernkraftwerke bis zum Frühjahr am Netz zu lassen, ist politisch vernünftig und ökonomisch unausweichlich – sie hätte mit etwas mehr Weitsicht so allerdings auch schon vor einigen Monaten und durchaus etwas mutiger ausfallen können. Dass Scholz sie einen Tag nach dem Ende des Grünen-Parteitages getroffen hat, zeigt Habeck und den Seinen eindrucksvoll, wer in dieser Koalition der berühmte Koch ist und wer der Kellner. Der Kanzler, auch an dieser Stelle häufig für seine zaudernde, uninspirierte Art gescholten, hatte die Faxen offenbar dicke. Nun herrscht, zumindest für diesen Winter, Klarheit. Wie Deutschland ohne Kernenergie dann durch den nächsten kommt, ist allerdings noch eine Gleichung mit vielen Unbekannten. Die halbe Welt fragt sich, warum ein Industrieland wie die Bundesrepublik mitten in einer Energiekrise ohne Not zuverlässige Energiequellen abschaltet.

    Von den Grünen jedenfalls war es reichlich naiv, zu glauben, die Partei könnte mit einem einfachen Parteitagsbeschluss den Kanzler, die SPD und die FDP auf ihre Linie zwingen, nach der nur zwei Kernkraftwerke als eine Art Notreserve vorgesehen sind und das dritte auf jeden Fall zum Jahresende abgeschaltet wird. Scholz hat dieses Manöver durchschaut und eine Lösung gefunden, mit der alle drei Parteien leben können, an der Grünen und Liberale aber noch lange zu knabbern haben werden.

    Die Grünen, weil sie das Abschalten des Reaktors im Emsland Ende Dezember schon als Faktum verkauft haben und damit in Niedersachsen sogar Wahlkampf gemacht haben - und die FDP, weil die jetzt vom Kanzler kraft seiner Richtlinienkompetenz angeordnete Regelung weit hinter ihren Forderungen zurückbleibt, alle drei Kraftwerke bis 2024 am Netz zu lassen und bei Bedarf auch einige bereits abgeschaltete wieder in Betrieb zu nehmen. Nüchtern betrachtet hat die FDP also weniger bekommen als die Grünen auf der anderen Seite zugestehen mussten. Nur einräumen mag das bisher kein Liberaler.

    Das Machtwort des Kanzlers zeigt: Die Ampel-Koalition steht auf brüchigem Eis

    Dass diese Lösung nur in bester Schröderscher Basta-Manier zustande kam, zeigt zugleich, wie brüchig das Eis ist, auf dem die Ampelparteien sich ein Jahr nach der Bundestagswahl bereits bewegen. Die Koalition, die alles anders machen wollte als andere vor ihr, transparenter, unideologischer und nicht so konfrontativ, ist auch nur eine Koalition wie alle anderen auch. Jeder schielt zunächst auf seinen eigenen Vorteil und die Befindlichkeiten der eigenen Partei, jeder bremst und opponiert, wo es nur geht – und jeder glaubt, die jeweils anderen irgendwie schon auf seinen Kurs zwingen zu können. Die lustvoll zelebrierte Harmonie der ersten Monate ist längst dahin. Die FDP, die eine Landtagswahl nach der anderen verliert, kämpft um ihre parlamentarische Daseinsberechtigung – und bei den Grünen wird so schnell niemand mehr die Frage stellen, ob Robert Habeck oder Annalena Baerbock nicht im Kanzlerbüro eine bessere Figur abgäben als der dröge Scholz. Auf dem Parteitag gefeiert, vom Kanzler tags darauf vorgeführt – willkommen in der politischen Realität

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