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Kommentar: Kanzler Olaf Scholz polarisiert: Musste er genau jetzt nach Japan?

Kommentar

Kanzler Olaf Scholz polarisiert: Musste er genau jetzt nach Japan?

Stefan Lange
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    Olaf Scholz zusammen mit Ministerpräsident Fumio Kishida in Tokio. Der Staatsbesuch wird dem Kanzler von der Opposition angekreidet.
    Olaf Scholz zusammen mit Ministerpräsident Fumio Kishida in Tokio. Der Staatsbesuch wird dem Kanzler von der Opposition angekreidet. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Es gibt Regierungsreisen, die sind nicht vergnügungssteuerpflichtig. Kaum Schlaf, ein stressiges Programm, oft kommt noch eine Zeit- und Klimaumstellung dazu. Kanzler Olaf Scholz absolviert gerade so eine Tour. Der SPD-Politiker hat sich nach Japan aufgemacht, 28 Stunden Flugzeit stehen 20 Stunden verbrachter Zeit in Tokio gegenüber, eine Übernachtung inklusive. Die Reise ist allerdings nicht nur deshalb fragwürdig. Denn Scholz, der laut Plan am Freitagabend wieder in Berlin landen soll, wird in der Hauptstadt sehr vermisst. Nicht nur die Opposition, auch die eigenen Leute wünschen sich in diesen Tagen mehr Führung vom Regierungschef.

    Die Tokio-Reise des Kanzlers ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich seine Arbeit immer von zwei Seiten betrachten lässt. Einerseits konnte Scholz diesen schon lange geplanten Trip kaum absagen, ohne diplomatischen Ärger mit den Japanern zu riskieren. Das Land ist ein enger Partner, Wirtschaftsmacht und trägt die Strafmaßnahmen gegen Russland mit. Andererseits fragen sich viele im politischen Berlin, wie ein Regierungschef eine solche Reise in einer Sitzungswoche des Parlaments überhaupt erst planen kann.

    Rede und Antwort im Bundestag: Angela Merkel stand dem Parlament parat

    Es mag Ausnahmen gegeben haben, in der Regierung Merkel galt jedoch die grundsätzliche Linie, dass die Kanzlerin während der 20 Sitzungswochen im Jahr dem Parlament jederzeit Rede und Antwort stehen kann. Bei der Reiseplanung konnte Scholz vom Ausbruch des Ukraine-Krieges noch nichts wissen. Hätte er sich an die Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine dabei gewesen.

    Seine Reise ist wichtig, aber wäre auch verschiebbar gewesen. Sie wirkt deshalb wie eine Flucht vor den unangenehmen Realitäten, mit denen sich die Bundesregierung gerade befassen muss. Und auch da gibt es die zwei Seiten des Kanzlers.

    In der öffentlichen Wahrnehmung wird ihm eine mangelhafte Kommunikation vorgeworfen. So hat sich Scholz bis zuletzt beispielsweise dagegen gewehrt, das Wort „Panzer“ in den Mund zu nehmen. Der SPD-Politiker kann durchaus gegen die Lieferung schwerer Waffen sein und interessanterweise finden zwei Drittel der Deutschen laut einer aktuellen Forsa-Umfrage sein besonnenes Vorgehen richtig. Dieser Haltung folgt aber keine öffentliche Erklärung und das wiederum ist der Grund, warum Deutschland im Ausland mit seinem Kriegsmanagement in Misskredit geraten ist. Hingegen bescheinigen ihm Abgeordnete aller drei Ampel-Parteien, dass er intern gut erklärt. Die Richtlinienkompetenz des Kanzlers ist nicht infrage gestellt.

    Olaf Scholz fürchtet den Dritten Weltkrieg – nie gab es eine solche Ausnahmesituation

    Es ist eine Begründung für dieses Verhalten denkbar und auch sie hat zwei Seiten. In Koalitionskreisen wird vielfach berichtet, dass Scholz die Gefahr eines Flächenbrandes durch den Ukraine-Krieg sehr ernst nimmt. Mehr noch, als es viele andere um ihn herum tun. Man darf das angesichts dessen, was dieses Szenario für Deutschland und die Welt bedeutet, ruhig die Angst vor einem Dritten Weltkrieg nennen.

    Scholz wird dadurch einerseits sehr nahbar, schließlich können nur Unmenschen keine Furcht vor dem haben, was der russische Präsident Wladimir Putin noch Schreckliches anrichten mag. Andererseits wünschen sich viele Menschen gerade angesichts der dramatischen Lage einen Regierungschef, der so rational wie nur irgend möglich an die Sache herangeht und ihnen seine Haltung erläutert.

    Allerdings gab es in der deutschen Nachkriegsgeschichte noch nie eine derartige Ausnahmesituation. Die Welt steht, auch wenn es viele nicht wahrhaben wollen, ganz knapp vor der Katastrophe. Deutschland droht der Verlust von Wohlstand und Sicherheit. Angesichts der enormen Unwägbarkeiten ist ein Kanzler, der nach 16 Jahren „Mutti“ Merkel gar nicht erst so tut, als ob er alles im Griff hat, nicht die schlechteste Wahl.

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