Das Drama um das EU-Lieferkettengesetz ist nicht ausgestanden, die Abstimmung im Kreis der 27 Mitgliedstaaten wurde auf Mittwoch verschoben, da die belgische Ratspräsidentschaft nicht sicher war, ob sich eine Mehrheit für das wichtige Gesetzesvorhaben finden würde. Auf der Kippe steht es in erster Linie wegen des Koalitionstheaters in Berlin. Und in Brüssel wird längst die Frage diskutiert, ob auf die Deutschen noch Verlass ist.
Die FDP will dem Lieferkettengesetz nicht zustimmen – und wird damit wieder einmal zum Blockierer. Tatsächlich ist nicht viel übrig geblieben von dem Versprechen der Ampelkoalition, sich bei EU-Projekten im Vorfeld enger abzustimmen, um sich schnell und klar in Brüssel zu positionieren. Die Deutschen, so lautete der gute Vorsatz, mit dem diese Regierung angetreten war, sollten nicht mehr bei Abstimmungen den ganzen Betrieb aufhalten. Mit dem berühmt-berüchtigten „German Vote“ wird die Enthaltung der Bundesrepublik im Rat bezeichnet, wenn sich die Koalitionspartner zuvor nicht auf eine Linie einigen konnten.
Nun allerdings sorgt die FDP regelmäßig für Irritationen, weil sie kurz vor dem finalen Votum im Kreis der EU-Länder doch noch dazwischengrätscht. Zwar lenkte Deutschland zumindest bei den CO-Grenzwerten für Lastwagenflotten kurz vor der Abstimmung am Freitag ein. Aber die nächsten umstrittenen Dossiers liegen schon auf dem Tisch.
Die FDP irritiert die EU-Partner mit ständigen Querschlägen
Mittlerweile löst der kleinste Ampelregierungspartner mit seinen ständigen Querschlägen in Brüssel nicht mehr nur genervtes Kopfschütteln aus. Die Sorge nimmt auch zu, dass Deutschland die Büchse der Pandora geöffnet hat, sich dementsprechend andere Staaten künftig ein Vorbild an der Strategie nehmen und die Taktik der Last-Minute-Blockade ebenfalls als wirksames Mittel einzusetzen versuchen, um innenpolitisch zu punkten. Das alles ginge auf Kosten Europas. Denn Prozesse würden dann noch langsamer und Ergebnisse noch verwässerter, als sie im riesigen Brüsseler Apparat ohnehin schon sind.
Zudem schadet der Wankelmut dem Ansehen Deutschlands in der EU massiv. Dabei ist nicht die Kritik an dem EU-Lieferkettengesetz an sich das Problem – auch die Wirtschaft ist in der Sache schließlich gespalten. Es geht um den Zeitpunkt. So hätten die Liberalen im langen Trilogverfahren, in dem sich die Unterhändler der drei EU-Institutionen Parlament, Kommission und Rat auf einen Kompromiss verständigen, ihre Bedenken einbringen können. Über die Verordnung, die europäische Unternehmen verpflichten soll, in aller Welt die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards durchzusetzen, also auch bei den Zulieferern, wurde schließlich nicht erst seit gestern debattiert.
Hat die FDP das Prozedere in der Europäischen Union schlichtweg nicht verstanden oder ist es ihr egal? Beides würde weder von einem professionellen noch von einem konstruktiven Politikstil zeugen, der die Zukunft der Gemeinschaft im Blick hat. Vielmehr gleichen die Interventionen in letzter Minute einem ungeschickten Wahlkampfmanöver, das sich am Ende rächen könnte.
Es geht ja nicht nur um das Lieferkettengesetz
Denn es geht längst nicht mehr nur um das Lieferkettengesetz, das Verbrenner-Aus oder die Euro-Norm 7, bei der sich Deutschland ebenfalls enthalten hatte. Der größte und mächtigste Mitgliedstaat kann in Brüssel nur eine Führungsrolle übernehmen und damit die EU voranbringen, wenn er einen verlässlichen Partner darstellt. Europa muss sich auf Deutschland verlassen können. Doch das Vertrauen hat einen Knacks bekommen.