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Kommentar: Kampf gegen Rechtsextremismus: Die Demokratieschützer brauchen mehr Schutz

Kommentar

Kampf gegen Rechtsextremismus: Die Demokratieschützer brauchen mehr Schutz

Stefan Lange
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    Die AfD hat sich in den vergangenen Jahren immer weiter radikalisiert.
    Die AfD hat sich in den vergangenen Jahren immer weiter radikalisiert. Foto: Daniel Karmann, dpa (Symbolbild)

    Der Satz sitzt. „Wer sich für Demokratie einsetzt, wird allein gelassen“, sagt Oliver Decker. Der Professor von der Universität Leipzig forscht seit vielen Jahren zum Rechtsextremismus in Deutschland, er kennt sich aus. Gemeint sind die vielen Menschen in den Beratungsstellen und Vereinen, die sich gegen zunehmend stärkere rechte Tendenzen im Land einsetzen. Wenn sie das tun, müssen sie Angriffe fürchten. Der Staat schützt sie nicht, sie werden allein gelassen. Während beispielsweise in Berlin Millionen für den oft nicht notwendigen, aber prestigeträchtigen Schutz von Botschaften fließen, bekommen Demokratieschützer keinen besonderen Schutz. Das gilt für eine physische Absicherung ebenso wie für die finanzielle.

    Dabei ist der Bedarf nach Schutz so groß wie nie. Experten berichten von neuen Neonazi-Gruppen, die gewaltbereit auftreten. Rassistische Nazi-Parolen sind salonfähig geworden. Eines der plakativsten Beispiele in diesem Jahr waren die aus zwei Sylter Clubs heraus verbreiteten Videos, auf denen ausländerfeindliche Parolen und Nazi-Slogans skandiert wurden. Solchen Stumpfsinn gab es schon immer. Neu ist die Hemmungslosigkeit, mit der sich die Protagonisten offen zeigen.

    Nazis dominieren Schulklassen

    Es gibt Schulklassen, in denen rechte Jugendliche den Ton angeben. Die Methoden haben sich insgesamt perfide verfeinert. Nazis gehen nicht mehr (nur) mit dem Baseballschläger auf andere los und brennen Flüchtlingsunterkünfte nieder. Sie nutzen die sogenannten Sozialen Medien, fotografieren beispielsweise schwule und lesbische Menschen und stellen sie im Netz mit Namen, Adresse und beleidigenden Bemerkungen zur Schau.

    Die rechten Einzeltäter und Netzwerke haben in der Alternative für Deutschland inzwischen einen verlässlichen Kooperationspartner gefunden. Vom „parlamentarische Arm“ der Rechten spricht der Bundesverband Mobile Beratung. Wer sich die Arbeit der AfD im Bundestag und in den Ländern anschaut, kann das bestätigen. In Berlin etwa überzieht die rechte Partei die Bundesregierung mit parlamentarischen Anfragen, die für die alltägliche parlamentarische Arbeit einer isolierten Oppositionspartei keinen Nutzen haben, sehr wohl aber niedere Instinkte der Gefolgsleute befriedigen. In diese Kategorie fallen Fragen nach der „Gesamtprüfungsanzahl von Integrationskurs-Teilnehmern“ oder nach der Zahl „syrisch dominierter Gruppierungen der Organisierten Kriminalität (OK)“.

    Politik biedert sich bei der AfD an

    Die etablierte Politik war einst angetreten, die AfD zu halbieren. Solche Äußerungen gab es beispielsweise aus der CDU und der SPD heraus. Nachdem das nicht gelang, ging sie zur Anbiederung über. So wird verharmlosend von einer „gemäßigten AfD“ der früheren Jahre geredet. Dabei saß der Rechtsextremist Björn Höcke schon bei Bernd Lucke und Frauke Petry am Vorstandstisch. Statt die AfD offensiv politisch zu stellen, arbeitet man auf Ebene der Landes- und Kommunalparlamente vielfach mit ihr zusammen. Im Bund schwadronieren Spitzenpolitiker derweil lieber über „D-Day-Papiere“ und Medienbetriebe bewerten tagelang den Auftritt von Christian Lindner in einer Talkshow.

    Die wahre „Brandmauer“ sind in diesem Szenario Beratungsstellen und Ehrenamtliche. Sie treten da für die Demokratie ein, wo Politik versagt. Wenn die sich schon nicht aufraffen will, etwas gegen die braune Flut zu unternehmen, sollte sie wenigstens genügend Geld zur Verfügung stellen. Bis Freitag tagt die Innenministerkonferenz, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ist auch dabei. Es könnte also ganz schnell gehen.

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    1 Kommentar
    Gerold Rainer

    Vielleicht sollten die demokratischen Parteien anfangen, nicht die AFD, sondern die Unzufriedenheit mit der Politik im Land zu halbieren. Die Ampelregierung hat es geschafft, bei einer Zustimmung von 15% anzukommen. Dort wo keine Brände entstehen, braucht man auch keine Brandmauern hochziehen.

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